Vorbilder – Dr. Judith Bildau über #afdnee

19. Oktober 2023 | immer.dasleben

„Zurück ins Mittelalter?“ – dadurch fiel mir die Kampagne #afdnee auf LinkedIn vor der Hessen- und Bayernwahl auf. Aufgegriffen und pepostet hatte das Dr. Judith Bildau, die bereit war, mir ein Interview zu geben. Judith Bildau ist Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Sie arbeitet mit Mädchen und Frauen jeden Alters und es ist ihr „wirklich eine Herzensangelegenheit“, sie durch verschiedene Lebensphasen zu begleiten. Sie macht sich zudem für das Thema „Frauengesundheit“ in den sozialen Medien stark. Auch das Thema Wechseljahre in die Politik zu bekommen, ist ihr wichtig.

Titelbild: Tom Strohhäcker

Frau Dr. Bildau, Sie sind mir auf LinkedIn durch Ihr Engagement für die Kampagne #afdnee aufgefallen. Was will der Hashtag und in wie weit sind Sie in dem Projekt engagiert?

Die Idee, Menschen sprechen zu lassen, die diese Partei aus Verzweiflung gewählt haben und nun das Ergebnis dessen erleben, gefiel mir ausgesprochen gut. Deshalb habe ich das Ganze einmal für Frauen, Frauengesundheit und Gleichberechtigung im Allgemeinen durchgespielt. Ich habe verschiedene Wahlprogramme studiert (Landtagswahlen, Bundestagswahlen, Europawahlen) und mir Aussagen der Parteimitglieder beziehungsweise der Parteispitze über das weibliche Geschlecht angeschaut. Das Ergebnis? Erschreckend!

Fotos: Dr. Judith Bildau

„Zurück ins Mittelalter“? Was würde eine AfD-Regierung für uns Frauen bereithalten?

Es wäre ein enormer Rückschritt für die Frauen, aber auch die Gesellschaft insgesamt. All die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte wären dahin. Ein Schwangerschaftsabbruch, jenseits von einer medizinischen Indikation oder einer Vergewaltigung, also im Sinne der weiblichen Selbstbestimmung, würde nicht mehr möglich sein. Bestrebungen den Gender Pay Gap, also die Gehaltsunterschiede von Männern und Frauen, aufzuheben, würden eingestellt werden. Gleichstellungsbeauftragte würde es nicht mehr geben und auch die Geschlechterforschung, inklusive Gendermedizin, würde abgeschafft.

Die Betreuung von Kleinkindern würde nicht mehr gefördert werden, weil (Achtung O-Ton eines AfD-Ratsherrn) Kita dazu dienen „den Eltern die Kinder zu entreißen und sie staatlichen Erziehungsanstalten zu übergeben.“

Kurz gesagt: Das Ziel der AfD ist ein „traditionelles“ Rollenbild, in dem die Frau zu Hause bleibt und dem Mann den Rücken frei hält.

Wie kann frau in ihrem unmittelbaren Bekanntenkreis auf AfD-nahe Kommentare reagieren und Überzeugungsarbeit leisten?

Es ist sehr, sehr schwierig. Das habe ich vor allem nach meinem Post in den letzten Wochen gemerkt. Die Diskussion über politische Inhalte wird -leider- selten auf Sachebene geführt, sondern wird schnell emotional. Ich persönlich versuche, ganz klar Stellung zu beziehen und zähle Punkte, die leicht nachweisbar sind, auf. Am Ende betone ich immer, dass kein Mädchen, keine Frau, keine meiner Patientinnen und keine meiner Töchter, selbstverständlich auch ich nicht, in einem solchen AfD-geführten Land leben möchte. 

Alles nur Protestwähler*innen? Wie erklären Sie sich den rechten Aufschwung gerade, also eigentlich europaweit?

Ich kann es mir nur mit einer allgemeinen Frustration und Wut erklären. In den Diskussionen, die ich nach meinem Post geführt habe, wurde oft betont, dass all das, was ich da aufgezählt hatte, gar nicht explizit in den Parteiprogrammen steht. Doch, steht es! Das hat mir gezeigt, dass sich die wenigsten wirklich damit beschäftigt haben.

Die AfD scheint schlicht und ergreifend die einzige Alternative, der jetzigen Regierung, der jetzigen Parteienlandschaft einen Denkzettel verpassen zu können. Keine Frau, mit der ich gesprochen habe, möchte, dass die Gendermedizin abgeschafft wird und Männer und Frauen nicht gleich gut diagnostiziert und therapiert werden. Keine Frau möchte tatsächlich „zurück an den Herd“. Aber die aktuelle Unzufriedenheit ist einfach sehr groß.

Zur Website von Dr. Judith Bildau

https://www.dr-med-judith-bildau.com/

Judith Bildau auf Instagram

Zu Kampagne

https://afdnee.de/

Du möchtest nichts mehr verpassen? Abonniere den Newsletter hier. Er kommt nur einmal im Monat und du kannst ihn jederzeit wieder abbestellen.

Ursula Gaisa

1968 in Schwandorf geboren. Studium Anglistik und Germanistik. Seit 1994 beim ConBrio Verlag. Journalistin, Buchautorin und Herausgeberin von immerschick.de

Ähnliche Beiträge

Sonntags-Kolumne: Longevity oder – Hunde, wollt Ihr ewig leben?
Sonntags-Kolumne: Longevity oder – Hunde, wollt Ihr ewig leben?

Der Titelzusatz stammt wieder mal aus einer kleinen Familienanekdote: Ein Großonkel väterlicherseits, der die 70 schon weit überschritten hatte, bekam nämlich vor vielen Jahren zu Weihnachten ein Buch geschenkt mit dem Titel: „Hunde, wollt Ihr ewig leben?“ Er war...

Frauengesundheit mit Olivia – Schwimmen
Frauengesundheit mit Olivia – Schwimmen

Warum das mein Sommer-Sport ist,welche Techniken ich nutze und was man beachten sollte.Und warum ich immer Sheabutter dabei habe. Kaum geht es auf den 1. Mai zu, werde ich zappelig. Ich will endlich wieder schwimmen. Wir haben das große Glück, dass es im...

Vorbilder: Angela Fabel von All Fab Ethical
Vorbilder: Angela Fabel von All Fab Ethical

Die Unternehmerin Angela Fabel wurde an Silvester 1971 in Bremen geboren. Nach dem Abitur zog sie nach Berlin, um Mode-Design an der Hochschule für Technik und Wirtschaft zu studieren. Diese Zeit war geprägt von kreativen und neuen Erfahrungen. Nach ihrem Abschluss...

Sonntags-Kolumne: Immer dieses Wetter
Sonntags-Kolumne: Immer dieses Wetter

Es gibt ja vieles im Leben, das man ändern kann: seine Ernährung zum Beispiel oder mehr Bewegung oder weniger Klamotten kaufen und und und. ABER eines kann frau immer noch nicht wegmachen: das Wetter. (Was passieren kann, wenn MANN es doch versucht, siehe Dubai 😉) Und...

Vorbilder: Judith Baumgarten und ihr Atemraum
Vorbilder: Judith Baumgarten und ihr Atemraum

„Buteyko – ist das das, wo man sich den Mund zuklebt?“ – Ja, unter anderem, manchmal. Ich habe sehr viel gelernt im Atemraum von Judith Baumgarten an einem Wochenende im April. Wer dieser Herr Buteyko aus Russland war und wie Judith ihren Weg gefunden hat, erfährst du...

Neu: Emotional Detox® & Bodywork
Neu: Emotional Detox® & Bodywork

2017 befand ich mich in einem emotionalen Erschöpfungszustand, in einer Art Sackgasse. Alles wurde mir zu viel: die Care Arbeit, mein Bürojob, fehlende Kreativität in meinem Leben… Durch Zufall stieß ich in einem Online-Magazin auf Laura Ritthaler und ihr Emotional...

2 Kommentare
  1. Danke 🙏 für das Interview, für die AfDnee Seite, den ich schon verteilt habe. So wertvoll und wichtig! Und jetzt markiere ich diesen Beitrag auch noch in der Story!

    Antworten
    • Danke dir, liebe Trina, ich finde es auch sooo wichtig. Ich grüße dich ganz herzlich! Ursula

      Antworten

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Hallo!

Herzlich willkommen bei immerschick.de. Dieses ü50-Blogzine soll von allem handeln, was das Leben einfacher, schöner und interessanter macht: von gesunden, aber leckeren vegetarisch-veganen Rezepten, modischen Anregungen, Beauty und Lifestyle, Reisen und spannenden Büchern. Nachhaltigkeit und Slow Fashion liegen uns besonders am Herzen. Denn vielleicht können wir die Welt ein kleines bisschen besser machen.

Unsere Krimi-Komödie

Newsletter

Bitte wählen Sie aus, wie Sie von uns hören möchten:

Sie können sich jederzeit abmelden, indem Sie auf den Link in der Fußzeile unserer E-Mails klicken. Informationen zu unseren Datenschutzpraktiken finden Sie auf unserer Website.

We use Mailchimp as our marketing platform. By clicking below to subscribe, you acknowledge that your information will be transferred to Mailchimp for processing.Learn more about Mailchimp’s privacy practices here.