Wilhelmine, Wagner, Bier – Städtereise Bayreuth

Denkt man an Bayreuth, kommt einem natürlich als Erstes Richard Wagner in den Sinn. Aber das oberfränkische Kleinod wäre nicht das, was es heute ist, ohne eine Frau: Wilhelmine von Preußen. Eigentlich hätte sie den englischen Thronfolger heiraten sollen. Doch daraus wurde nichts. Drei Männer stellte man ihr dann zur Auswahl: zwei weit Ältere und einen Jüngeren. Letzteren, Erprinz Friedrich III., nahm sie zum Mann und wurde so 1731 Markgräfin im verschlafenen Bayreuth.*
Titelfoto und alle Fotos von Ursula Gaisa (außer anders angegeben: René Brendel @renebrendel
Wilhelmines barockes Bayreuth
Der erste Eindruck war schlicht verheerend für Wilhelmine, die frisch aus Berlin angereist kam. Das – bald Alte – Schloss war aus der Mode, verdreckt und wenig repräsentativ. Komischerweise fing es bald Feuer, so musste das Neue Schloss gebaut werden. Mir großem Brunnen und einem ausladend schönen Hofgarten, Orangerie und Obstgarten.



Links und rechts: Altes Schloss, das jetzt das Finanzamt beherbergt. Mitte: Wilhelmine-Büste im Mariengärtlein









Das Neue Schloss und der Hofgarten. Foto Ursula: Claudia Dollinger
Bis heute ein Highlight in Bayreuth, das auch innen besichtigt werden kann. Doch damit nicht genug: Die kunstinteressierte Wilhelmine, die ihre kreativen Interessen auch mit ihrem Mann teilte, errichtete als Nächstes ein Opernhaus.
Von außen recht unscheinbar zwischen zwei Gebäude eingepasst, um das Volk nicht zu verärgern, aber innen: oho! Mehr barocke Pracht geht nicht. Heute ist das Markgräfliche Opernhaus Unesco Weltkulturerbe und wird zum Beispiel für die jährlich stattfindenden Barock-Festspiele, „Bayreuth Baroque Opera Festival“, genutzt. Ich durfte eine Aufführung der Oper „Flavio, Re de‘ Longobardi“ miterleben und war begeistert von den Kostümen, den Countertenören und der freizügigen Inszenierung. (Foto weiter unten!).







„Flavio, Re de‘ Longobardi“. Foto: Falk von Traubenberg/Ophelias PR
Wilhelmine komponierte und schrieb übrigens auch. Sie konnte nach der Geburt ihrer Tochter keine Kinder mehr bekommen, ihr Mann nahm sich eine Geliebte, trickreich vertrieb sie diese, ihre Kindheit soll traumatisch gewesen sein und im Alter von nur 49 Jahren starb sie an Wassersucht. Man vermutet, dass sie einen Herzfehler hatte.
Wagner und Bayreuth
Nun ergibt sich die Brücke zu Richard Wagner, der mehrmals aus politischen Gründen nicht nur aus München flüchten musste und dort keinen Fuß fassen konnte. In der katholischen Landeshauptstadt, die zwar von seinem Gönner Ludwig II. regiert wurde, kam es auch überhaupt nicht gut an, dass er ein Verhältnis mit einer verheirateten, später geschiedenen Frau unterhielt. Trotzdem suchte er weiter einen Ort für die Aufführung seiner opulenten Opern, etwa „Das Rheingold“ oder „Die Walküre“. Seine inzwischen offiziell angetraute Frau Cosima, übrigens Tochter von Franz Liszt, las zufällig etwas über das Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth, das im 19. Jahrhundert nach dem Tod Wilhelmines schon lange leer stand.



Das Paar reiste also nach Oberfranken und besichtigte das Haus. Wagner war nicht begeistert, er wollte den ganzen barocken Schnickschnack nicht. Etwas Pures, nie Dagewesenes sollte sein Bau für seine Opern werden. Von der geografischen Lage her gefiel ihm die Stadt aber.






Der Rest ist Geschichte: sein Festspielhaus am Grünen Hügel, das auch mithilfe seines größten Bewunderers, Ludwig II., entstand ist bis heute jeden Sommer ein Publikumsmagnet und weltberühmt. Es kann mit Führungen besichtigt werden. Der Kartenvorverkauf für 2024 ist übrigens online. Und eine Führung, die stündlich buchbar ist, kann ich nur empfehlen!
Sein Wohnhaus, die Villa Wahnfried im Stadtzentrum, kann ebenfalls besucht werden. Im moderneren Nebengebäude, in dem Winifred Wagner Onkel Wolf, also Adolf Hitler regelmäßig empfing, ist das Wagner-Museum ausgeweitet worden. Eine wichtige und schlüssige Aufarbeitung der NS-Zeit findet hier anhand Video-Material vor historischer Kulisse statt. Direkt daneben gibt es zwei weitere Museen: zu Franz Liszt in seinem Sterbehaus und zum Dichter Jean Paul.









Danke für die tolle Gästeführung, Claudia Dollinger
Die Eremitage
Wilhelmines Schaffensdrang machte aber nicht an den Toren der Stadt halt. Ein Skulpturengarten entstand, der Felsengarten Sanspareil und die seit 1616 existierende vom Roten Main umflossene Eremitage wurde mit Freiluftaufführungsstätten und einem Neuen Schloss aufgewertet. Wasserspiele, Brunnen, der Sonnentempel, das Alte Schloss mit Museum, kleine Lustgärtchen inklusive. Einfach wunderschön und unbedingt zu empfehlen!










Schloss und Park Fantaisie in Donndorf wurde von der einzigen Tochter Wilhelmines, Herzogin Elisabeth Friederike Sophie von Württemberg, 1763 vollendet und ist jetzt auch ein Museum für Gartenkunst. Einen Ausflug wert! Wunderschöne Natur, Rokoko und Historismus auf einem besonderen Fleckchen Erde.




Das moderne Bayreuth
Bayreuth ist eine junge Universitätsstadt und hat sich in den letzten 30 Jahren sehr verändert. Urban Art, Studentenlokale, Läden und eine vielfältige Gastronomie rund um den weitläufigen Marktplatz lassen keine Wünsche offen. Im Lemon Tree zum Beispiel sind fast 50 nachhaltige Marken versammelt, eine kleine Filiale gegenüber bietet alles von Armedangels.






Sehr gut hat mir auch der Scandi Club gefallen, cleane Mode direkt am Marktplatz.






Das Oskar am Markt
Veganer finden zum Beispiel Platz in Café Kraftraum, im Vedans oder im Naupaka. Und selbst in den antik eingerichteten Traditionslokale wie Oskar am Markt, der Eule, dem Wolffenzacher oder den Schinner Braustuben gibt es sehr gute vegetarische Alternativen. Urban Art spielt eine wichtige Rolle, auch gut sichtbar im „Maisel & Friends“: eine coole Location mit Biermuseum, Kaffeerösterei, dem Urban Art Hotel Liebesbier und umfangreicher Gastronomie.



Studentenkneipe mit großem Biergarten im Hof: die Lamperie



Die Eule, in der schon Richard Wagner gespeist hat. Veganes Walküren-Schnitzel






Wolffenzacher und ein Blick in den Marktplatz
A propos Bier: sage und schreibe 200 Brauereien gibt es in der Region rund in und um Bayreuth, die um die 1.000 verschiedene Biersorten herstellen und in den Gaststuben probiert werden können.




Im Maisel & Friends



Murales zum Thema Wilhelmine sind über die Innenstadt verteilt.
Bayreuth bietet seinen Bewohnern und somit auch den Touristen viel Lebensqualität: im Hofgarten gibt es Liegeflächen für Picknicks, einen riesigen Spielplatz, der Röhrensee bietet Naherholung mitten in einem Wohngebiet. Und nicht zuletzt sei auch die Nähe zur Fränkischen Schweiz und den Fichtelgebirge zu erwähnen!



Am Röhrensee
Kirchen, Klaviere und Brunnen
Neben der barocken Schlosskirche, die die sterblichen Überreste von Wilhelmine, ihrem Mann und der Tochter beherbergt, ist auch die protestantische Stadtkirche Bayreuth mit Katakomben und Gruft, in der die Särge der übrigen Markgräflichen Familie besichtigt werden können. Sehesnwert.






Die Stadtkirche
Musikliebhaber sollten sich die Räumlichkeiten einer der letzten deutsch Klaviermanufakturen, Steingraeber, unbedingt anschauen.





Der perfekte Tag
Bayreuth ist perfekt für einen Wochenendtrip. Frühmorgens nach dem Frühstück den Tag mit einem langen Spaziergang in der Eremitage beginnen, dann bummeln am Marktplatz und in der Sophienstraße. In den Hofgarten zur einer Siesta, Sundowner in der Beachbar am Röhrensee, Essen in einem der gemütlichen Traditionsgasthäuser (siehe oben) und danach ins Konzert? Alles ist möglich. Und den Nächsten unbedingt der Kultur widmen mit Festspielhaus und den Museen
Geheimtipps
Wasserspiele in der Eremitage: zur vollen Stunden am Neuen Schloss und immer Viertel nach in der Unteren Grotte (gekennzeichnet mit Nr. 18, 12:15-17:15 Uhr)
Ökologisch Botanischer Garten der Universität
Röhrensee mit kleinem kostenlosen Tierpark, stylisher Strandbar und Bootsverleih
Mariengärtlein an der Schlosskirche oberhalb des Markgräflichen Operhauses
Vegane-vegetarische Restaurants:
Hotels
https://www.bayreuth-tourismus.de/uebernachten/
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*Pressereise in Kooperation mit Bayreuth Tourismus
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Sehr schöner Beitrag zu Bayreuth. Eine schöne Stadt, finde ich, habe ja mal zwei Jahre dort gelebt, dann hat’s mich aber in die Frankenmetropole Nürnberg gezogen. Und Fotolocations hast du auch etliche, schöne gefunden. Ich war letztes Jahr auch mal wieder in der Eremitage. Vielleicht mit deinen Tipps mal wieder ein Sonntagsausflug. Danke.
Sehr gerne, liebe Sigi. Ich war ja sehr sehr lange nicht mehr dort gewesen und war sehr positiv überrascht. Vor allem von der vielen Natur mitten in der Stadt! Herzliche Grüße Ursula