Die Wut, die bleibt: der neue Roman von Mareike Fallwickl

Vorbilder, Frauen, die uns inspirieren – in der heutigen Zeit wichtiger als je zuvor. Da kommt der neue Roman der Österreicherin Mareike Fallwickl genau richtig. „Die Wut die bleibt“ (Rowohlt/Rezensionsexemplar) handelt von drei Frauen aus zwei Generationen vor dem Hintergrund der Pandemie. Gleichzeitig ist das unser Beitrag zur Blogparade „Weibliche Role-Models – wer uns inspiriert und ermutigt“ des Onlinemagazins LEMONDAYS. „Starke Frauen mit klarer Haltung und Mumm in den Knochen“ – darum geht es, und uns ist sofort eine junge Frau eingefallen.
Fallwickl, 1983 in Hallein bei Salzburg geboren, arbeitet als freie Autorin und lebt mit ihrer Familie im Salzburger Land. 2018 erschien ihr literarisches Debüt „Dunkelgrün fast schwarz“ in der Frankfurter Verlagsanstalt, das für den Österreichischen Buchpreis sowie für das Lieblingsbuch der Unabhängigen nominiert wurde. 2019 folgte der Roman „Das Licht ist hier viel heller“, dessen Filmrechte optioniert wurden. Sie setzt sich auf diversen Bühnen sowie Social-Media-Kanälen für Literaturvermittlung ein, mit Fokus auf weiblichen Erzählstimmen. In ihrem „Bücherwurmloch“ berichtet sie von ihren Lektüren, auf Instagram ist sie als @the_zuckergoscherl aktiv.
Literaturvermittlung
Seit 2009 setzt sie sich in ihrem Literaturblog vor allem mit Büchern von Frauen auseinander – immer mit einem Auge auf Feminismus, Rechte der Frauen und weibliche Role-Models. Die Me-Too-Bewegung inspirierte sie unter anderem zu ihrem zweiten Roman „Das Licht ist hier viel heller“. Im Mittelpunkt steht der in die Jahre gekommene Bestseller-Autor, Macho und Stinkstiefel Maximilian Wenger und seine Kinder. Seine Frau hat ihn gegen einen jungen Fitnesstrainer eingetauscht. Und wenn seine Schwester nicht wäre, würde er komplett vergammeln in seiner kleinen Wohnung in Hallein bei Salzburg. Aber dann erreichen ihn die Briefe einer Unbekannten und reißen ihn aus seiner Lethargie. Bedrohung, Misshandlung, Vergewaltigung … – wann besteht der Tatbestand, und wie gehen Frauen und Männer damit um?

Das Licht ist hier viel heller
Der dritte Teil wird von der 18-jährigen Zoey erzählt, die selber zu einem Missbrauchsopfer wird. Liebe und Verständnis bekommt sie weder von ihrem Vater, der sich für unwiderstehlich hält, noch von ihrer fitnessverrückten Mutter, die sich verzweifelt auf jung trimmt, um ihrem neuen Geliebten zu gefallen. Sie liebt es zu Fotografieren, sie will nicht Pilates machen oder Jura studieren, sie will auch nicht das Geld ihrer wohlhabenden Eltern. Zoey macht ihre ersten Erfahrungen mit Männern. Die sie nur benutzen.
Nur ihr Bruder versteht sie und würde zusammen mit seinem homosexuellen Freund alles für sie tun. Auf ihren Vater kann sie sich nicht verlassen. Er geht nicht mal ans Telefon, wenn sie seine Hilfe braucht…
Die Wut, die bleibt
Das neue Buch von Mareike Fallwickl, das heute, am 22. März 2022, erscheint geht noch einen Schritt weiter. Ist radikaler, feministischer, es tut weh. Drei Frauenschicksale stehen exemplarisch für zwei Generationen von heute. Alles beginnt mit einem Paukenschlag: Helene, Mutter zweier kleiner Söhne und der 15-jährigen Lola aus einer früheren Affäre, springt während des Abendessens mit der Familie vom Balkon.
„Haben wir kein Salz, sagt Johannes beim Abendessen, sagt es genau so: Haben wir kein Salz, und nicht einmal in Helenes Richtung.“
Ein Satz, der das Fass nach langen Lockdowns allein mit zwei kleinen Kindern immer zu Hause, zum Überlaufen bringt. Zurück bleibt eine übergroße Lücke, die Helenes beste Freundin Sarah, selber kinderlose Autorin, zu schließen versucht. Sie übernimmt klaglos für Monate die Kinderbetreuung, während Johannes, der Vater der Kleinen, weiter zur Arbeit geht, als wäre nichts. Sie schläft sogar im Haushalt, während in ihrem eigenen Haus ihr zehn Jahre jüngerer Lover weiter lebt – als wäre nichts. Von ihm erfährt sie keinerlei Unterstützung, eigentlich will sie ein Kind, was Leon einfach geflissentlich übersieht.
„Und das ist also wirklich so: Wenn die Frau sich nicht kümmert, kümmert sich niemand.“
Erst engagiert Johannes seine an Long Covid erkrankte alte Mutter, die sich um den Jüngsten kümmern soll, der noch keinen Kitaplatz hat, dann akzeptiert er ohne große Wort die Opferbereitschaft Sarahs, die sich nicht nur um die Kinder kümmert, sondern auch putzt, wäscht und einkauft.
Und dann ist da noch Lola, die sich erst fast zu Tode hungert, ohne dass es jemand kommentiert – abgesehen von neidischen Mitschülerinnen. Nachdem sie und ihre beste Freundin Sunny von drei Jungs tätlich angegriffen wurden, beginnen sie sich zu wehren und finden beim Selbstverteidigungstraining heraus, dass alle diese Frauen und Mädchen ungestraft verletzt und sexuell belästigt wurden, bevor sie sich Muskeln antrainieren und auf gängige Schönheitsideale pfeifen.
Und was passiert eigentlich, wenn wir endlich zurückschlagen?
Das Buch wird sicher Diskussionen anstoßen und wahrscheinlich polarisieren. Aber gerade heute in Zeiten, in denen wieder patriarchalische Kriegsstrukturen ganze Gesellschaften zerstören, Frauen in Afghanistan unterdrückt und terrorisiert werden, kommt es genau richtig. Immer noch verrichten Frauen hauptsächlich die Sorgearbeit, haben während der Pandemie ihre Arbeit verloren oder wurden von der Politik und den Vätern während der Lockdowns komplett allein gelassen. Trotzdem ist es kein plattes Lehrwerk in Sachen Feminismus, sondern ein spannender Roman mit glaubwürdigen Figuren, die einem ans Herz wachsen.
Und dann geht es letztendlich um Sisterhood, um die Liebe, die zwischen Frauen so einfach und allumfassend ist.
„Wir erkennen einander, wenn wir uns ähnlich sind“, sagt Sibel leise, hat womöglich Lolas Wunden gespürt oder die Fragen gelesen in ihrem Gesicht, „und das ist, was du verstehen musst. Keiner hier verurteilt dich. Keiner hier lacht dich aus. Wir sind du. Du bist wir. Wir gehören zusammen, unser aller Kraft ist eine einzige Kraft.“
Ein mutiges Buch, das zur Pflichtlektüre in den Schulen werden sollte. Bravo, Mareike!
Das Cover ist ein sogenannter Affiliate Link, das heißt, wenn du das Buch darüber bestellst, kostet dich das keinen Cent mehr, wir verdienen ein paar zum Erhalt dieses Magazins.
Mehr zum Thema Feminismus in diesem Interview mit Franziska Schutzbach zum Buch „Die Erschöpfung der Frauen“.
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Ein interessantes Buch, ein großes, wichtiges Thema. Aber ich habe immer ein aber: warum begeben sich Frauen oft bewusst in diese Rolle(n)? Ich bin auch eine Kümmerin, denn kümmern an sich ist doch nichts schlechtes, aber ich bin eine mit Grenzen, und bin deswegen immer, in erster Linie von Frauen (und das macht mich wütend), schief angesehen und verurteilt worden und werde es immer noch. Du stillst nicht? Du lässt Dein Kind bei einem Kindermädchen und gehst arbeiten? Du wäscht die Wäsche von Deinem Mann nicht mit? Du erinnerst Deinen Mann nicht an den Geburtstag seiner Mutter? Dich stört nicht, wenn Dir ein Mann auf der Straße hinterherpfeift? Du begleitest Deinen Mann nicht hierhin und dorthin? Ich könnte noch hundert weitere Beispiele aufzählen, aber ich denke, man merkt worauf ich hinaus will. Ich bin der Meinung, dass Frauen sich oft freiwillig in Rollen begeben und zum Beispiel nach rechts abbiegen, obwohl links auch eine Möglichkeit gewesen wäre. Mein Kümmerin-Gen ist mir wichtig und ich setze es gerne ein, für meinen Job und für Menschen, die mir am Herzen liegen und auf die Frage: „Haben wie wohl keine Kaffee-Kapseln mehr?“ antworte ich gerne: „Wenn Du keine gekauft hast…, ich trinke sowieso lieber Tee!“
Ich werde das Buch auf jeden Fall lesen.
Liebe Grüße
Sigi
Liebe Sigi, ja klar, aber da wurdest du anscheinend gut erzogen oder bleibst einfach bei dir – mit einer angemessenen Portion Selbstliebe. Vielen von uns – mich eingeschlossen – wurde eingetrichtert, dass das und dies „die Frau“ erledigt. Meine Mama war „nur Hausfrau“. Ich habe schon als Kind gemerkt, dass ihr langweilig war. Trotzdem hatte sie ein schlechtes Gewissen, wenn sie ein paar neue Schuhe wollte, die ihr mein Papa dann „großzügig“ spendiert hat. Alles noch gar nicht lange her… Das Wichtigste im Buch ist für mich aber, dass auch schon junge Mädchen lernen sollten, sich zu verteidigen, notfalls auch körperlich. Ich habe keine Töchter, werde es aber meiner Nicht auf jeden Fall schenken. Vieles ist überzeichnet im Buch, trotzdem sehr wichtig. Danke fürs Lesen kommen und ein wunderbares Wochenende! Ursula