Die Erschöpfung der Frauen – Interview mit Franziska Schutzbach

Kinder, Küche, Kirche – das war einmal. Heute sind es Kinder, Küche, Job, Haushalt, Partner, Freundschaften, Sport und ein enormer Druck durch soziale Medien und eine gewisse „Forever-Young“-Vorgaukelei durch die Medien.
„Nach wie vor wird von Frauen verlangt, permanent verfügbar zu sein – familiär, beruflich, sexuell, gesellschaftlich.“
Die Geschlechterforscherin Franziska Schutzbach legt in ihrem wichtigen Buch „Die Erschöpfung der Frau“ (Droemer Knaur) den Finger in die Wunde eines Systems, das von Frauen alles erwartet, aber nichts zurückgibt. Wir durften ihr ein paar Fragen zum Thema stellen.
Sie wollten dieses Buch schon länger schreiben, aber waren zu erschöpft, warum?
Ich hatte zwei kleine Kinder und saß an meiner Doktorarbeit. Es waren zehrende Jahre, ich spreche in meinem Buch von einer „radikalen Pausenlosigkeit“. Ich zerbrach damals fast unter dem psychischen und physischen Gewicht der Verantwortung als Mutter. Die elterliche Verantwortung macht sehr verletzlich. Die enge Bindung an Kinder, deren absolute Abhängigkeit, die damit verbundene Emotionalität und pausenlose Zuständigkeit bringen vor allem Frauen in eine fragile Position, besonders in einer Welt, die der Bedürftigkeit von Menschen gegenüber strukturell rücksichtslos ist.

Die Zuständigkeit für Kinder macht auf eine Weise vulnerabel, wie man sie von anderen Arten der Arbeit nicht kennt. In anderen Arbeitsverhältnissen können Arbeitnehmer:innen ihren Chef oder ihre Vorgesetzte kritisieren oder fürchten, sie können zur Gewerkschaft gehen, den Personalrat informieren, kündigen oder selbst Chefin werden. Mit Kindern ist es anders: Man kann als Mutter nicht einfach die Kinder ablehnen, einen Aufstand starten oder streiken. Das Verhältnis ist komplizierter und ambivalenter. Gefühle tiefer Liebe, Befriedigung und Verbundenheit können gleichzeitig existieren wie Gefühle der Ablehnung, Überforderung und Einsamkeit.
Sie sprechen von der Entwertung negativer Emotionen. Wie kommt es dazu?
In unserer Gesellschaft herrscht eine Glücksdoktrin. Im Zuge der rasenden Beschleunigung sozialer und ökonomischer Prozesse hat eine Entwertung von negativen Emotionen stattgefunden. Da sie der Produktivität im Wege stehen. Negative Emotionen sollen unter Verschluss gehalten werden, es gibt eine Art Zwang zum positiven Denken, ja zum Glücklichsein. Krisen, Zweifel und das Scheitern sind nur dann erlaubt, wenn daraus irgendwann ein Nutzen gezogen werden kann. Das heißt auch Krisen müssen als Erfolgsstory erzählt werden, „Krankheit als Weg zu betrachten“, oder „Erschütterung als Erweckung“. Dadurch entsteht ein enormer Druck, wenn wir nicht sagen dürfen: Das hat mich einfach geschwächt. Und basta. Diesem Druck möchte ich mit meinem Buch entgegenwirken.
Ich nehme negative Emotionen ernst und verbinde sie mit einer kritischen Analyse der Gesellschaft. Das heißt ich zeige die Strukturen, die der Erschöpfung zugrunde liegen, ohne gleich zu sagen, dass Frauen diese und jene Optimierungen in ihrem Leben vornehmen müssen, und damit noch mehr Druck und Erschöpfung zu verursachen.
Frauen müssen nicht noch perfekter, gesünder, organisierter und so weiter leben. Manche Ratgeber haben leider genau diesen Effekt, sie treiben uns noch mehr in die Erschöpfung.
Woher kommt der Perfektionismus der Frauen, die sich zwischen Kindern und Karriere aufreiben?
Frauen sind auch heute mit anderen Anspruchshaltungen konfrontiert als Männer. Sie müssen perfekter im Job sein, wenn sie erfolgreich sein wollen, immer toll aussehen, und wenn ein Kind Probleme hat, werden diese auf die Mutter zurückgeführt. Frauen werden nicht einfach als Menschen betrachtet, von ihnen wird nach wie vor erwartet, dass sie gebende Menschen sind. Sie schulden anderen unterschiedliche Arten von Unterstützung, auch solche, die über die Familien- und Hausarbeit hinausreicht: Bewunderung, Liebe, Wohlwollen, Aufmerksamkeit, Geborgenheit, Mitgefühl. Oder Sex. Diese oft widersprüchlichen Ansprüche vermitteln Frauen das Gefühl, wie wären nur ein guter Mensch, wenn sie perfekt sind.
Was könnte helfen?
Es gibt verschiedene Ansätze, die ich meinem Buch auslote. Zum einen brauchen wir mehr Zeit und Ressourcen, um die lebensnotwendige Sorgearbeit erledigen zu können, ohne komplett zu erschöpfen. Das geht nur, wenn wir Erwerbsarbeit verkürzen, Teilzeit für alle ermöglichen und auf diese Weise Sorgetätigkeiten aufwerten und gerechter unter allen Menschen verteilen. Denn bisher machen die Frauen die meiste unbezahlte Sorgearbeit und arbeiten dadurch insgesamt mehr als Männer. Ferner müssen wir noch mehr kritisches Bewusstsein in Bezug auf Geschlechterstereotype entwickeln. Wir sind alle immer noch stark geprägt und getrieben von extrem normativen Vorstellungen, was eine «Frau» oder was «ein Mann» ist. Diese Vorstellungen sind für uns alle aber eigentlich erschöpfend und wir müssen versuchen, mehr Freiheit zu ermöglichen.
Kommt das Matriarchat in naher Zukunft?
Wenn damit gemeint ist, dass in Zukunft Frauen herrschen, so wie bisher Männer geherrscht haben, dann hoffe ich nicht. Das Ideal kann keine neue Herrschaftsform sein. Ich würde mir wünschen, dass wir andere Werte ins Zentrum der Gesellschaft und der Wirtschaft rücken. Werte wie Fürsorglichkeit, Kooperation, Achtsamkeit…Werte, die in den Tätigkeiten, die bisher vor allem Frauen übernehmen, stark vorhanden sind. Diese Werte gilt es, für alle stark zu machen.
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