Volksdroge Alkohol – zwei neue Bücher

28. November 2021 | immer.dasleben

Deutschland ist nicht nur das Land der Dichter und Denker, sondern auch das Land der Trinker*innen. Im internationalen Vergleich weist Deutschland seit vielen Jahren einen sehr hohen Alkoholkonsum auf. Der Verbrauch an Reinalkohol pro Kopf im Alter ab 15 Jahren betrug 10,7 Liter im Jahr 2018. Dieser hohe Konsum verursacht gravierende gesundheitliche, soziale und volkswirtschaftliche Probleme. Um die drei Millionen Erwachsene zwischen 18 und 64 Jahren hatten im Jahr 2018 in Deutschland eine alkoholbezogene Störung (Alkoholmissbrauch: 1,4 Millionen; Alkoholabhängigkeit: 1,6 Millionen). (Quelle: DHS – Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V.)

Und trotzdem war es bis vor kurzem ziemlich verpönt, darüber zu sprechen, ohne sofort in die Liga der Spaßverderber abgeschoben zu werden. Aber es tut sich was – auch bei uns. Ende 2019 zum Beispiel gründeten Isabella Steiner und Katja Kauf das Portal nüchtern.berlin, einen hippen Online-Shop für alkoholfreie Alternativen und Lifestyle.

„Mit nüchtern.berlin wollen wir die einseitige und promillelastige Trinkkultur erweitern, Diversität aufzeigen, auf Disbalancen im Trinkverhalten hinweisen und Toleranz schaffen, die über den Tellerrand hinausgeht.“

nüchtern.berlin

Ihr Konzept haben sie jetzt in einem Buch zusammengefasst, beziehungsweise untermauert. „Mindful Drinking“ (Knesebeck, Rezensionsexemplar) erzählt die Kulturgeschichte des Alkohols, den Weg der Autorinnen von Hochkonsumentinnen mit regelmäßigen dicken Katern bis ins nüchterne Leben. Dabei geht es ihnen letztendlich um die Frage: „Was trinke ich, wenn ich nicht trinke?“ Statt süßer Limos und Schorlen kann man nämlich inzwischen zu alkoholfreie Alternativen von Gin bis Rum greifen.

Expert*innen zu Themen wie „Alkohol in der Schwangerschaft“, „Alkohol und Dating“ oder „Trinken im Business Kontext“ kommen zu Wort. Eine Art Kater-Tagebuch soll geführt werden, um sich der Auswirkungen auf Körper und Geist bewusst zu werden.

Im zweiten Teil des Buches geht es um die Auswirkungen von Alkohol auf Gewicht, Gesundheit und Schlaf, wie unser Hormonhaushalt beeinflusst wird und wie schnell oder langsam frau in eine Abhängigkeit geraten kann.

Trend Mindful Drinking

Kern des Buchs sind alkoholfreie Alternativen für einen hippen Lifestyle, darum geht es im dritten ausführlichen Teil. Zahlreiche Rezepte für raffinierte Getränke folgen, ein Barguide für das alkoholfreie Leben, interessante Menschen, die keinen Alkohol mehr trinken, kommen zu Wort. Und zuletzt wird das Thema „Frauen und Trinken“ angesprochen. Wie Alkohol trinken in den 1960er-Jahren zum Teil der Emanzipation wurde.

Insgesamt ein gut geschriebenes, gut recherchiertes Buch, das helfen kann, seinen Konsum zu reduzieren oder ganz sein zu lassen, ohne sich in einer jungen Lifestyle-Metropole wie Berlin fehl am Platz oder „unhipp“ fühlen zu müssen. „Sober curious“ ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Schrift ist mir persönlich zu klein, kann aber an meiner zunehmenden Alterskurzsichtigkeit liegen 😉

Ganz ohne geht auch!

Einen Schritt weiter geht die Journalistin und ehemalige BR-Redakteurin Nathalie Stüben, die die anglo-amerikanische Sober-Bewegung endlich nach Deutschland geholt hat. Sie war selbst psychisch abhängig von Alkohol und räumt in ihrem Podcast „Ohne Alkohol mit Nathalie“ mit vielen Mythen rund um die Volksdroge auf.

Spricht oder denkt man hierzulande von Alkoholabhängigen oder Alkoholikern, hat man immer noch den typischen Penner unter der Brücke im Kopf. Aber die Grauzone zwischen Genusstrinken und der letzten Stufe, der körperlichen Abhängigkeit, ist weitläufig und war bisher nicht so richtig in unserem Bewusstsein angekommen.

Eine Droge wie Heroin oder Kokain

Alkohol ist eine extrem süchtig machende Droge. Und gerade für uns Frauen sehr schädlich. Warum die eine abhängig wird, die andere nicht, darüber ist sich die Forschung noch nicht richtig einig. Faktoren sind zum Beispiel, dass Erwachsene den selbstverständlichen Konsum von Alkohol vorleben oder in welchem Maß man als „Anfängerin“ Alkohol verträgt.

Nathalie Stüben hat inzwischen ein Programm entwickelt, dass aus der psychischen Abhängigkeit herausführen kann, ohne das Gefühl haben zu müssen, auf etwas zu verzichten. Denn viele Menschen haben Angst davor, dass sie „trocken“ oder besser nüchtern zwangsweise ein graues tristes Leben mit AA-Meetings führen müssen und ihr Leben lang dem Alkohol nachtrauern.

Ihren Weg, der für viele im wahrsten Sinne des Wortes schon wegweisend ist und sein kann, beschreibt sie jetzt in „Ohne Alkohol – die beste Entscheidung meines Lebens“. (Kailash, Rezensionsexemplar). Und ihre „Erkenntnisse, die ich gern früher gehabt hätte“ sind wahre Augenöffner in Sachen Droge Alkohol. „Ein Leben ohne Alkohol ist keine Qual, sondern bedeutet Freiheit“ ist die Quintessenz ihrer jahrelangen Forschungen und Erfahrungen. Etwas Besseres hätte allen, die sich Sorgen um ihren Konsum machen oder Angst vor der Entscheidung für ein nüchternes Leben haben, nicht passieren können. Noch dazu spannend und sehr gut geschrieben. Zu Recht seit Wochen in der Spiegel-Bestseller-Liste der Sachbücher und bereits in der zweiten Auflage.

5 Gründe, warum Alkohol und Wechseljahre kein gutes Team sind

Darüber habe ich auf dem Magazin Lemondays.de geschrieben, den Artikel findet Ihr hier zum Nachlesen:

lemondays.de/wechseljahre/alkohol-und-wechseljahre/

Weitere Buch-Empfehlungen zum Thema Alkohol*:

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Ursula Gaisa

1968 in Schwandorf geboren. Studium Anglistik und Germanistik. Seit 1994 beim ConBrio Verlag. Journalistin, Buchautorin und Herausgeberin von immerschick.de

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2 Kommentare
  1. Sehr interessantes Thema. Ich kann mir auch gut vorstellen, das die momentane Situation , den Zustand und Konsum vergünstigt. Was auch schon öfter in den Medien berichtet wurde. Ich wünsche dir eine schöne Adventszeit und sende liebe Grüße!

    Antworten
    • Herzlichen Dank, liebe Mira. Ja, leider verstärken diese Ohnmachtsgefühle, die viele gerade verspüren, den Hang, sich in etwas zu flüchten, was einem nicht gut tut. Deshalb wollte ich einen kleinen Beitrag zur Aufklärung leisten. Ich grüße dich! Ursula

      Antworten

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