Interview mit Doris Dörrie zu ihrem neuen Buch

28. August 2019 | immer.dasleben, immer.kreativ

Doris Dörrie, Ihr Buch „Leben, schreiben, atmen“ ist eine Einladung zum Schreiben. Es geht darin aber nicht darum, Literatur zu schaffen, sondern um autobiographisches Schreiben, darum, dem eigenen Leben schreibend auf die Spur zu kommen. Sie sind eine bekannte Autorin und unterrichten seit Jahren Drehbuchautoren in „kreativem Schreiben“. Wie kam es zu diesem Buch, das sich nicht an Profis, sondern an alle richtet?

Jedes Leben ist berichtenswert.

Doris Dörrie: Seit vielen Jahren gebe ich als Professorin an der Filmhochschule und auch außerhalb Workshops überall auf der Welt, in denen ich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ermuntere und anleite, ihre eigene Geschichte zu schreiben. Immer wieder erlebe ich, welche enorme Ermächtigung es bedeutet, sich dem eigenen Leben schreibend zu nähern. Welche Freude, welche Inspiration, welche tiefe Befriedigung daraus entstehen kann, zu begreifen, dass jedes Leben berichtenswert ist! Dass jedes Leben unverwechselbar und das ganz eigene und besondere ist! Das bedeutet sehr viel in einer Welt, die sich immer mehr an einer homogenen digitalen Oberfläche orientiert, die immer nur fragt, ob ich schön und erfolgreich genug bin. 

Kann jeder schreiben?

Doris Dörrie: Ja. Jeder, der lesen kann, kann auch schreiben. Ich habe über die vielen Jahre einen sehr handlichen Werkzeugkoffer zusammengestellt, mit dem tatsächlich jeder lernen kann zu schreiben. Darüber hinaus gibt es in Wahrheit nur einen einzigen Trick: ganz genau hinzuschauen. Immer wieder. Und jeden Tag. Und das lässt sich trainieren. Hier geht es nicht darum, Literaturpreise zu gewinnen, sondern darum, genau und wahrhaftig dem eigenen Leben gegenüber zu sein. (Man kann aber durchaus auf diese Weise dann Literaturpreise gewinnen.)

Warum tut es gut zu schreiben?

Doris Dörrie: Es bringt mich auf eine manchmal fast magische Weise in mein eigenes Leben und meine eigene Zeit zurück. Wir haben immer mehr das Gefühl, uns zu verlieren, weil wir so selten im eigenen Leben anwesend sind und uns die Zeit durch die Finger rinnt. Wenn man schreibt, bekommt man ein Zuhause im eigenen Leben, eine Erdung und intensive Verbindung mit der Welt, wonach wir uns doch alle sehnen. 

Sie erzählen in diesem Buch ja sehr persönlich aus Ihrem eigenen Leben.

Doris Dörrie: Bei diesem Buch bin ich deutlich erkennbarer persönlich geworden als bisher, was für mich aber eigentlich keinen großen Unterschied macht, weil alles, was ich schreibe, letztlich persönlich ist. Aber hier wollte ich zeigen, dass es vielleicht am Ende darum geht, uns gegenseitig auch unsere Schwächen und Verletzungen zu zeigen und über sie zu berichten, um tief und wahrhaftig miteinander zu kommunizieren. Es ist eine Frage der Verhüllung und Verschleierung, inwieweit man sich zu erkennen gibt. Irgendwann hatte ich das Gefühl, dass ich keine Verschleierung mehr brauche und es vielleicht auch an der Zeit ist, besonders als Frau jetzt über das tatsächliche eigene Leben zu erzählen. Was nützt es denn, wenn ich mich immer nur mit frisch gefönten Haaren und Beauty-Filter zeige und behaupte, dass alles ganz ganz toll ist in meinem Leben?

Sie fordern im Buch zum freien Assoziieren auf, bei dem man unter Umständen selbst überrascht wird, wohin das Schreiben einen führt. Gab es in diesem Buch für Sie auch Überraschungen?

Doris Dörrie: Es gibt, wenn man auf die Art und Weise schreibt, wie ich es hier schildere, jeden Tag Überraschungen, weil ich immer wieder darüber staune, was mein Gehirn tief in seinen Windungen anscheinend abgespeichert und aufgehoben hat. Das mit Methode wieder herauszukitzeln bedeutet, auch immer wieder überrascht zu werden von dem Reichtum des eigenen Lebens in all seinen Details. Das sind oft beglückende, aber nicht nur friedliche und hübsche Details und Szenen, doch sie schildern mich und mein kurzes, ganz eigenes Vorhandensein auf dieser Welt. Letzten Endes geht es darum, durch das Schreiben zu begreifen, dass man wirklich hier war. Dass jedes Leben in all seinen Details einen ganz besonderen und unvergleichlichen Wert hat.

Schreiben Sie jeden Tag?

Doris Dörrie: Ja.

Interview mit Doris Dörrie von Margaux de Weck, Juli 2019, mit freundlicher Genehmigung © by Diogenes Verlag AG Zürich

Beitragsbild: © Constantin Film Verleih GmbH / Dieter Mayr

Ein Rezensionsexemplar wurde vom Verlag zur Verfügung gestellt. Affiliate-Link!

Ursula Gaisa

1968 in Schwandorf geboren. Studium Anglistik und Germanistik. Seit 1994 beim ConBrio Verlag. Journalistin, Buchautorin und Herausgeberin von immerschick.de

Ähnliche Beiträge

Sonntags-Kolumne: Tod und Tanten
Sonntags-Kolumne: Tod und Tanten

Einmal im Monat, immer am ersten Sonntag, wird es ab sofort eine Kolumne geben: ohne Werbung, ohne PR-Produkte, einfach über Sachen oder Ereignisse, die mich bewegen. Der Titel der Ersten und Heutigen ist natürlich makaber, aber ich lese gerade den neuen Irving, und...

Fit und gesund durchs Jahr mit dem PMA-Zeolith von PANACEO
Fit und gesund durchs Jahr mit dem PMA-Zeolith von PANACEO

Werbung. Vor Ostern habe ich mit der Fastenbox mit PANACEO BASIC-DETOX-PLUS meinen Darm entgiftet und mich danach wie neugeboren gefühlt. Denn das Vulkanmineral wird in einem aufwändigen patentierten Verfahren (PMA) so aufbereitet, dass es jede Menge Schadstoffe, die...

The Sustainable Stylist – Janine Dudenhöffer
The Sustainable Stylist – Janine Dudenhöffer

Janine Dudenhöffer ist mir vor Monaten oder Jahren einmal in der Instyle aufgefallen, und ich fand ihr Konzept einfach genial: Stell dir vor, es gäbe eine Personal Trainerin für deinen Kleiderschrank – das bin ich. Nach ihrem Textilmanagement-Studium in Düsseldorf und...

Women’s Health 50plus mit Petra Orzech: Menopausen Yoga für die Leber
Women’s Health 50plus mit Petra Orzech: Menopausen Yoga für die Leber

Was hat die Leber mit der Menopause zu tun? Sie hat ab diesem Lebensabschnitt eine ganze Menge mehr „Arbeit“. Warum? Mit dem Ausbleiben der Periode entfällt die monatliche Entgiftung über die Gebärmutter, die jetzt zum großen Teil von der Leber übernommen wird. Wir...

Das caera Notrufsystem mit Sturzerkennung
Das caera Notrufsystem mit Sturzerkennung

Werbung. Das ist meine Mama auf dem Bild. Sie ist im Februar 80 geworden und wohnt allein in einem relativ großen Haus mit zwei Stockwerken. Sie ist noch fit, macht alles selber und lebt ganz eigenständig. Vor ein paar Jahren hatte sie unbemerkt eine schwere...

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Hallo!

Herzlich willkommen bei immerschick.de. Dieses ü50-Blogzine soll von allem handeln, was das Leben einfacher, schöner und interessanter macht: von gesunden, aber leckeren vegetarisch-veganen Rezepten, modischen Anregungen, Beauty und Lifestyle, Reisen und spannenden Büchern. Nachhaltigkeit und Slow Fashion liegen uns besonders am Herzen. Denn vielleicht können wir die Welt ein kleines bisschen besser machen.

Mein Kochbuch

Newsletter

Bitte wählen Sie aus, wie Sie von uns hören möchten:

Sie können sich jederzeit abmelden, indem Sie auf den Link in der Fußzeile unserer E-Mails klicken. Informationen zu unseren Datenschutzpraktiken finden Sie auf unserer Website.

We use Mailchimp as our marketing platform. By clicking below to subscribe, you acknowledge that your information will be transferred to Mailchimp for processing.Learn more about Mailchimp’s privacy practices here.