Lesen – Literaturtipps für den Spätsommer

In Bayern und Baden-Württemberg haben wir ja noch länger Ferien, also fällt dieser Post noch unter Urlaubslektüre, aber lesen kann und sollte man ja auch wieder zu Hause. Was gibt es Schöneres als Bett, Bad und Buch an einem verregneten Tag oder? Dann mal los. (teilweise Rezensionsexemplare)
Bernhard Aichner: Dunkelkammer. Ein Bronski Krimi, btb
Seine Reihe um die Bestatterin Blum „Totenfrau“ wurde eben mit Anna Maria Mühe verfilmt, jetzt schreibt der Österreicher über den Pressefotografen David Bronski, den auch alle mit dem Nachnamen ansprechen. Auch er ist ein harter Kerl mit weichem Kern, der in seinem ersten Fall mit seiner Vergangenheit konfrontiert wird. Denn er hat zwei große Verluste in seinem Leben ertragen müssen, von denen er sich immer noch nicht erholt hat. Gewohnt packend, spannend und in seinem besonderen Stil entführt uns der Österreicher nach Innsbruck, aber auch Berlin, Hamburg und Leipzig sind Schauplätze. Doch dort in Tirol wird die mumifizierte Leiche einer vor über 20 Jahren verschwundenen Milliardärin gefunden. In ihrer Geldbörse ein Foto von Bronskis ebenso lange vermisster vier Monate alten Tochter. Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten. Der zweite Band ist auch bereits veröffentlicht. Im nächsten Schwung wird er hier an dieser Stelle besprochen.
Victoria Grader: Caspers Weltformel, Diederichs
Casper ist Mitte, Ende 20, lebt in Berlin und versucht, das Menschliche Leben in eine Formel zu bringen. Damit will er gegen alle Eventualitäten gewappnet sein, da er scheinbar alles vorherbestimmen oder -sagen kann. Der Doktorand der Physik lebt ein gleichförmiges unaufgeregtes Leben, das sehr an Langeweile grenzt.
Durch Zufall, beziehungsweise eine Tagträumerei, verpasst er seinen Zug nach München, wo er seine Mutter besuchen will. Kurzerhand nimmt er den nächsten Zug nach Budapest, lernt dort Ilona kennen, das glatte Gegenteil von ihm: sie ist eine Tagträumerin, impulsiv und lebt mit einem schwarzen Kater in einem Gartenhäuschen. Sie hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser und bildet sich ein, dass sie nur ein Prinz mit viel Geld aus ihrer Misere befreien kann.
Verlass dich nicht auf den Zufall, aber baue ihm goldene Brücken.
Ungarisches Sprichwort
Der dritte wichtige Charakter ist der LKW-Fahrer János, Unterhemdenträger, gutmütig wie ein Bär, der seiner Frau nachtrauert, die ihn verlassen hat.
Man bekommt durch dieses Buch große Lust, einfach auch wieder in den Zug zu steigen und Neues zu erkunden. Und wer noch nie in Budapest war, bekommt dadurch auch einen sinnlichen ersten Eindruck von der ungarischen Stadt an der Donau. Nebenbei werden Themen wie Vegetarismus, Natur und Alkohol angeschnitten. Am Ende wird das Ganze noch zu einem Roadmovie mit Stationen von Rumänien bis Istanbul.
Und natürlich geht es um den Sinn des Lebens, dem wir wohl alle, egal in welchem Alter, immer wieder auf die Spur kommen wollen. Mit allen Sinnen da sein, etwas riskieren, sich treiben lassen, daran erinnert diese farbenfrohe Geschichte.
Alena Schröder: Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid, dtv
Die 27-jährige Hannah arbeitet in Berlin an ihrer Doktorarbeit. Lange, ohne Schwung, sie lässt sich treiben und ist in ihren Professor verknallt, der natürlich verheiratet ist. Ihre einzige noch lebende Verwandte ist ihre Großmutter Evelyn, 94, die in einem Seniorenheim lebt. Ein Brief aus Israel verändert einiges im Leben der beiden. Evelyn wird darin nämlich als Erbin eines geraubten und verschollenen Kunstvermögens ausgewiesen. Von diesem jüdischen Zweig der Familie weiß Hannah nichts, und ihre Oma weigert sich erst einmal, darüber zu sprechen.
Der Roman verläuft in zwei Strängen: der Gegenwart in Berlin und der Geschichte von Evelyns leiblicher Mutter Senta, die ihr Kind verlässt und in der Hauptstadt ein neues Leben als Journalistin anfängt. Dort verliebt sie sich in ihren jüdischen Chef und heiratet ihn. Der Schwiegervater ist ein Kunsthändler. Und so nimmt alles seinen Lauf.
Das ist spannend und gut geschrieben, man fiebert auf beiden Ebenen mit. Die Figuren sind vielschichtig und deshalb so glaubwürdig. Geschichten wie diese sollten gerade heute niemals in Vergessenheit geraten, wo die letzten Überlebenden des Holocaust sterben. Letztendlich ist es auch eine kleine Abrechnung mit dem akademischen Leben und eine Hymne an das Leben.
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Und mit den besonderen Menschen um so schöne. Hab einen tollen Tag, lieber Roland! Ursula