People Pleasing – Ulrike Bossmann und ihr neues Buch

Dr. Ulrike Bossmann habe ich euch schon in diesem Interview ausführlich vorgestellt. Sie ist promovierte Psychologin, Systemische Therapeutin und Coach für Positive Psychologie. Ihr neues Buch zum Thema People Pleasing ist ein Ratgeber für Menschen wie mich, die es immer allen recht machen wollen und dabei Gefahr laufen, ihre eigenen Bedürfnisse außer acht zu lassen.*
Titelbild: Katja Heil
People Pleasing ist meines Wissens dein erstes Buch, warum gerade dieses Thema?
Ich habe schon Bücher veröffentlicht. Das waren aber alles Fachbücher für Therapeut*innen und Coaches.
Dieses Buch ist mein erster Ratgeber, von dem ich mir wünsche, dass ihn ganz viele Menschen lesen.
Bei den Frauen, mit denen ich arbeite, habe ich immer wieder festgestellt, dass ihr People Pleasing ihnen richtig große Probleme macht. Da es noch kein deutschsprachiges Buch darüber gab, habe ich mich sehr gefreut, als der Beltz Verlag mich dafür angefragt hat, ob ich Lust habe, ein Buch darüber zu schreiben.



„Es allen recht machen wollen“ – ist das die Kerneigenschaft des People Pleasers?
Absolut. People Pleasern ist es extrem wichtig, dass andere sie mögen und sie sind überproportional stark mit der Frage beschäftigt, wie sie es erreichen, die anderen um sie herum zufrieden zu stellen. Vor allem tun sie alles, um sicherzustellen, dass andere von ihnen nicht enttäuscht oder gar verärgert sind. Jeder waschechte People People Pleaser kann deswegen so schlecht Nein sagen und sich abgrenzen. Oder eben auch schlecht für eigene Bedürfnisse, Interesse oder Ziele einstehen, wenn das Gegenüber diese doof, unangemessen oder schwierig finden könnte.
Was ist die Harmoniefalle?
Ganz viele People Pleaser schweigen lieber und schlucken kritisches Feedback oder eine andere Meinung herunter. Sie wollen um jeden Preis Konflikte vermeiden und die Harmonie aufrechterhalten. Aber innerlich brodeln die Themen natürlich weiter. Ein Beispiel: Wer lange zu etwas nichts sagt, hat oft das Gefühl, jetzt so lange geschwiegen zu haben, dass man gar nichts mehr sagen darf.
Ich erinnere eine Coaching-Klientin, die total frustriert war, weil ihre Kollegin ihr oft ins Wort fiel und sie unterbrach. Sie saß aber in besagter Harmoniefalle fest und hätte sich nie getraut, der Kollegin das freundlich mitzuteilen – denn sie wollte nicht, dass die Kollegin sich angegriffen fühlt oder schlecht von ihr denkt.



Sind hochsensible, empathische Menschen, die Konflikte scheuen, besonders gefährdet?
Konflikte zu scheuen ist ein Bestimmungsmerkmal des People Pleasing. Es ist aber wahrscheinlicher bei Menschen, die sehr feine Antennen haben, viel spüren oder „zwischen den Zeilen“ lesen können, wenn sie entsprechende Erfahrungen im Aufwachsen gemacht beziehungsweise im Laufe ihres Lebens gelernt haben, dass sie brav, angepasst und lieb sein sollen, um sich Bindung zu sichern oder wertvoll zu fühlen. Das findet sich bei allen People Pleasern.
Zu irgendeinem Zeitpunkt war es notwendig, die Bedürfnisse der Bezugspersonen zu erfüllen, nicht aufzufallen, nicht zur Last zu fallen oder auch auf keinen Fall Ärger zu machen. Beziehungsweise ich erlebe auch viele People Pleaser, die beschämt wurden, wenn sie sich in ihrer Einzigartigkeit und mit ihren Bedürfnissen gezeigt haben. Solche Rückmeldungen nehmen hochsensible Menschen natürlich deutlich wahr. Deswegen verstärkt sich das erworbene Verhaltensmuster im Erwachsenenalter auch immer weiter. Aus psychologischer Sicht würde ich vermutlich etwas tiefer gehen, um zu schauen: Was ist Henne, was ist Ei?, aber das führt an dieser Stelle zu weit.



Können auch noch Menschen ü50 lernen, besser Nein zu sagen und selbstbestimmter zu leben?
Unbedingt! Wir Menschen sind ein Leben lang lernfähig. Oft ist das sogar ein sehr guter Zeitpunkt, denn insbesondere Frauen reflektieren stärker, kommen mehr bei sich an und überprüfen – möglicherweise das erste Mail – ob sie so wie bisher weitermachen wollen. Wer 10.000-mal geschwiegen hat, obwohl man eigentlich was sagen wollte oder sich 20.000-mal hat zu etwas überreden lassen, erreicht leichter einen Punkt, „so nicht mehr sein zu wollen“.
Wer also deutlich spürt, was das People Pleasing einen kostet und andererseits sieht, dass die nach vorn gerichtete Lebenszeit nicht mehr unendlich ist, findet oft den Mut, sich auf den Weg zu machen.
Bei manchen steigt auch der Leidensdruck, weil sie nach so vielen Jahren als People Pleaser überhaupt nicht mehr wissen und spüren, welche Wünsche und Bedürfnisse sie haben. Wer sich auf die Suche danach macht, sich vor Augen führt, was es zu gewinnen gibt, wenn er oder sie kein People Pleaser mehr ist und sich dann auf den Weg macht, kann so korrigierende Erfahrungen sammeln.



Was erwartet die Betroffenen in deinem Buch?
Mit dem Buch will ich allen Leser*innen helfen, sich einen besseren Reim auf sich zu machen, sich mit sich zu versöhnen und vor allem ganz viele praktische Wege zeigen, wie man aufhört, ein People Pleaser zu sein. Ich will den Leser*innen zeigen, dass sie nicht alle ihre Ideale und Werte über den Haufen werfen oder ein komplett anderer Mensch werden müssen.
Es ist nämlich toll, empathisch und feinfühlig zu sein oder sich um das Wohl der anderen zu kümmern! Blöd ist nur, wenn man dabei eigene Bedürfnisse und Wünsche übergeht und sich selbst total vergisst.
Ich beschreibe in dem Buch die Auslöser und Auswirkungen von People Pleasing und zeige, wie man ohne schlechtes Gewissen Grenzen zieht und Konflikte austrägt, statt um der Harmonie willen zu schweigen.
Es gibt zahlreiche Fallbeispiele, Fragen zur Selbstreflexion und wertvolle Übungen, um mit sich so fürsorglich umzugehen wie mit anderen. Ich habe extra ein Kapitel mit Kommunikationsstrategien geschrieben, in dem People Pleaser konkrete Formulierungen finden, wie sie freundlich nein sagen und ihre Meinung äußern ohne ihr Gegenüber zu verletzen. Diese Formulierungen können 1:1 übernommen werden und sind Psychologen-approved ;).
Sind Frauen eher People Pleaser als Männer? Weil sie vielleicht schon von den Müttern gesagt bekamen: Immer schön brav sein?
Ja, schon. Das Aufwachsen in unserer westlichen Welt ist für Frauen geradezu ein Studium in People Pleasing. Frauen erleben in ihrer Biografie oft mehrere Dinge: Von ihnen wird eher erwartet, dass sie das emotionale Wohl der anderen im Blick haben. Sie erleben die sich kümmernde und aufopferungsvolle Mutter. Sie werden aufgefordert, lieb zu sein und unkompliziert. Habe ich erst neulich wieder auf dem Spielplatz beobachtet. Da sollte das Mädchen ihr Spielzeug teilen, weil das andere Kind es haben wollte – und dass, obwohl das Spielzeug dem Mädchen gehörte und es gerade freudig damit spielte. Von Mädchen wird verlangt, nachzugeben und großmütig zu sein. Sind sie das nicht, werden sie dafür abgestraft. Etwa, indem sie hören, dass sie jetzt nicht so eine Meckerliese oder Pingelieschen sein sollen. Frauen werden schon sehr früh mit einem Blick bewertet, der auf Gefälligkeit scharf stellt.
Ein Tipp, den PP sofort ausprobieren können?
Sich mal einen Tag vornehmen, nicht jederzeit zu pleasen. Quasi einen „Don’t please“-Tag einzulegen. Ziel ist es an diesem Tag, mal nicht als People Pleaser zu agieren oder zumindest bewusst wahrzunehmen, wo man eigentlich innerlich einen anderen Impuls spürt. Denn für People Pleaser geht es ja nicht darum, dass sie ab jetzt ständig nur noch Nein sagen oder überall ihre Kritik über andere ausschütten sollen, sondern zu spüren: Was brauche ich gerade? Was entspräche mir jetzt? – und danach zu handeln.
*Das Cover enthält einen sogenannten Affiliate Link, das heißt, wenn du es darüber kaufst, kostet dich das keinen Cent mehr. Wir verdienen ein paar zum Erhalt dieses Magazins.
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Interessanter Artikel und interessantes Buch. Über People Pleasing habe ich auch schon einmal einen Beitrag geschrieben, wer hat das nicht ein bisschen in sich oder kennt jemanden im näheren Umfeld? Herzliche Grüße, Sigi
Liebe Sigi, ich bin da schon extrem so erzogen worden und leider meistens immer noch sehr betroffen. Aber ich arbeite daran. Herzlichen Gruß Ursula