Monsieur Aznavour – Biopic in den Kinos

Es ist ein langer Weg vom Flüchtlingskind in Paris bis zum gefeierten Las Vegas Star, der so viel verdient wie Frank Sinatra. Was für ein Leben, welch beispielloser Erfolg! Der Film „Monsieur Aznavour“ des Regie-Duos Mehdi Idir und Grand Corps Malade setzt aber an einem Tiefpunkt in Charles Aznavours Leben ein. (Titelbild: Antoine Agoudjian/Weltkino)
Jahrelang wird er von Kritikern und sogar von seiner Entdeckerin Edith Piaf gehänselt. Seine Stimme sei nicht gut, das Aussehen gehe nicht zusammen mit Liebesliedern. Begriffe wie „Quasimodo“ oder gar „Krüppel“ fallen noch in der 1960er-Jahren.
Schau, wo wir herkommen
In einem schäbigen Hotelzimmer in Lyon setzt er sich an den Tisch und erinnert sich: an den Vater, der im Restaurant seine Künstlerfreunde aus- und unterhält. Erster Gänsehaut-Moment des Films, wenn getanzt wird zum russischen Volkslied „Les Yeux Noirs“, das in „Les Deux Guitares“ übergeht, interpretiert von Aznavour und begleitet von historischen Aufnahmen armenischer und georgischer Geflüchteter, den Wurzeln der Familie.
Trotz prekärer Verhältnisse – sie verlieren das Restaurant, ziehen über eine schäbige Bar, der Vater verkauft seinen Goldzahn, – aufgegeben wird nicht. Denn: „Schau, wo wir herkommen, und schau, wo wir sind“, das ist der Leitsatz. Oder: „Solange wir eine Familie sind, kann uns nichts passieren.“

Marie-Julie Baup als Edith Piaf, die Aznavours eine Nasenkorrektur bezahlte. Foto: Carolin Bazin/Weltkino
Er will auf die Bretter
Charles bekommt als Schüler eine kleine Rolle in einem Theaterstück, und es ist um ihn geschehen. Er will auf die Bühne. Auch Schwester Aida wird Sängerin. Er tritt erst im Duo mit Pierre Roche auf, der schließlich nach Kanada auswandert, später solo.
Über 1.000 Chansons hat Aznavour in seinem 94 Jahre langen Leben aufgenommen, darunter 800 selbstgeschriebene. Ähnlich verrückt war auch sein Privatleben: drei Ehen und sechs Kinder von drei verschiedenen Frauen. Eines seiner berühmtesten Chansons „She“, ohne das der Film „Notting Hill“ mit Julia Roberts undenkbar wäre, schrieb er für seine große Liebe, das schwedische Model Ulla.


Mehdi Edir kassierte für seine Hauptrolle als Charles Aznavour einen César. Foto 1: Tukimuri/Weltkino, Foto 2: SOHEMMRET/Weltkino
Aber trotz märchenhaften Reichtums und Erfolgs bleibt er ein Getriebener, einer, der nie zur Ruhe kommt: „Wenn ich anhalte, bin ich tot…“ Und so ist der Film ganz aktuell passend zum Thema Flucht und Vertreibung. Mehdi Edir in der Rolle Aznavours überzeugt vor allem als ungelenker junger Erfolgssuchender, den älteren Aznavour mit seiner unglaublichen Intensität kann man schwer darstellen. Trotz einiger Längen in der Mitte sehenswert – allein der Wiederbegegnung mit den unsterblichen Chansons wegen.
„Monsieur Aznavour“ ist seit 22. Mai in den deutschen Kinos.
Text zuerst erschienen in der neuen musikzeitung
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