Vorbilder – die Harfenistin Silke Aichhorn

Da saß sie auf der Leipziger Buchmesse in einem winzigen Stand mit ihrem imposanten Instrument. Silke Aichhorn hat mich nachhaltig beeindruckt. Ums so mehr freue ich mich, euch die Harfenistin anhand eines Interviews vorstellen zu dürfen.
Silke Aichhorn ist zweifache Mutter, kommt aus Traunstein in der Nähe des Chiemsees und liebt ihre verschiedenen Berufe rund um die Harfe. Sie ist selbstständig und Harfenistin, Buchautorin, Verlegerin mit eigenem CD-Label/Verlag, Hospizbotschafterin, Harfenlehrerin, Geschäftsführerin des Regionalwettbewerbes Jugend musiziert, Mentorin bei Frauen in Kultur&Medien des Deutschen Kulturrates und „begeistert am Berg und auf dem Rad“.*
Wie bist du zur Musik und zur Harfe gekommen?
Als älteste von sechs Kindern begann ich mit fünf Jahren mit Flöte, mit sechs im Chor, mit acht Klavier, und mit zehn wollte ich unbedingt Harfe spielen.
Meine Mutter meinte: Ich glaube, dass du spinnst!
Nach zwei Jahren Bettelei durfte ich dann endlich anfangen, direkt bei der pensionierten Hochschulprofessorin, die an der hiesigen Musikschule während ihrer Rente noch eine Klasse aufgezogen hatte. Sie meinte in der dritten Stunde: „Und du wirst mal Harfenistin!“
Zum Glück hat sie mich in richtige Richtung geschoben, ich habe es lange nicht wirklich kapiert.
Ich sehe meinen Beruf als absolutes Geschenk, die Harfe ist mein Instrument und ich denke, dass sie von anderer Stelle für mich ausgesucht wurde… 🙂


Foto li.: Sven-Christian Wolf, Titelfoto und Collage: Markus Aichhorn
Ist das Musiker*innen leben mit Familie vereinbar? Wie hast du das gewuppt?
Ja, ist es. Ich habe beide Kinder 15 Monate gestillt, die große Tochter hatte ich bei 70 Konzerten, die kleinere bei 50 Konzerten dabei.
Mein Mann ist zum Glück ziemlich cool und verständnisvoll. Dass ich oft nicht da bin, wird in der Familie als völlig normal betrachtet. Die Kinder sind super selbständig, eine Fähigkeit, die ich aus meiner eigenen Kindheit mitgenommen habe und die ich für den wichtigsten Punkt einer Erziehung halte.
Ich muss aber auch dazu sagen, dass ich mit einer extremen Kraft, hoher Resilienz und guter Gesundheit beschenkt bin, was das ganze einfacher macht. Ich bin sehr schnell, unkompliziert und mutig in meinen Entscheidungen, das habe ich von meiner Mami.
Dazu ausgerüstet mit dem bayerischem Wahlspruch: „Bevor ich mich aufreg‘, ist es mir lieber Wurscht…“
Du bist selbstständig, was bedeutet das im Klartext? Sehnst du dich manchmal nach einer Festanstellung?
Selbständig bedeutet für mich: absolute Freiheit! Obwohl ich eigentlich immer irgendwie arbeite, habe ich eine perfekte Work-Life-Balance. Ich liebe meinen Beruf, bin sehr viel am Computer, weil ich alles selbst manage (also ohne Agenten), dazu übe und spiele ich für mein Leben gerne. Bei mir ist jeder Tag anders. Ich bereise tolle Orte (bin daher auch sehr viel mit Harfe im Auto), treffe überall auf begeistertes Publikum in den unterschiedlichsten Konstellationen, sehe dauernd neue Sachen und freue mich dann immer sehr, wenn ich hier im wunderbaren Chiemgau in der Natur unterwegs sein kann.
Auch ist die Mischung Harfenistin-Autorin ein absoluter Gewinn. Ich kann mit meiner kabarettistischen Lesung „Lebenslänglich frohlocken“ jetzt auch an Orten auftreten, wo ich früher „nur“ mit Harfe gar nicht eingeladen gewesen wäre.
Eine Festanstellung (vor allem in einem Orchester) wäre mein totaler Horror!
Nur meine Mini-Musikschulstelle behalte ich, vor allem als Andenken an meine erste Lehrerin, die mir die Stelle damals mit über 80 Jahren überreichte.
Wie war die COVID-Zeit für dich?
Dank meiner vielen Standbeine bin ich ganz gut durchgekommen, meine Fans haben mich durch Bücher- und CD-Einkäufe liebevollst unterstützt. Und sobald die Möglichkeit bestand, irgendwo zu spielen, habe ich sofort reagiert.
Ich hatte zwar 110 Konzertabsagen, aber da mir nie langweilig ist und ich immer viel zu viele Sachen machen möchte, war die Zeit absolut erträglich (auch wenn die Familie sehr froh war, als es wieder normal lief…)
Du bist Hospizbotschafterin. Was ist das und wie kam es dazu?
Nach meinem Studium habe ich viel bei der Yehudi-Menuhin-Förderung „Live music now“ gespielt. „Musik zu Menschen bringen, die aufgrund ihrer Lebenssituation gerade nicht ins Konzert gehen können“ war ein großes Geschenk! Auftritte in Hospizen, Krankenhäusern, Gefängnissen, Demenzabteilungen, Nervenheilanstalten etc. – eine Schule fürs Leben.

Silke während eines Musiccamps für körperbehinderte Kinder 2022. Foto: privat
Dort hatte ich den ersten Kontakt zu Hospiz. Zudem spiele ich sehr regelmäßig bei Beerdigungen. Die Harfe streichelt den Bauch, kaum einer kann sich der Wirkung entziehen.
Dann hatte ich eine erste CD für Bestatter gemacht, eine zweite mit „Harfenklängen für die Seele“ folgte. Auf der Suche nach einem Sponsor sprach ich die Caritas an. Sie wollte mich dann als Hospizbotschafterin mit dem Ziel, den Gedanken der Hospiz- und Palliativarbeit breiter in der Öffentlichkeit zu verankern. Mittlerweile bin ich auch Botschafterin der Hospizbewegung Düren, die eine unglaublich tolle Arbeit machen. „Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben. Du zählst, weil Du Du bist. Und du wirst bis zum letzten Augenblick deines Lebens eine Bedeutung haben.“ (Cicely Saunders)
Dies unterstütze ich mit Benefizkonzerten, außerdem bin ich immer auf den Palliativmessen „Leben und Tod“ in Bremen und Freiburg.
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