Weltfrauentag 2023: Buchtipps ü50
Auch hier auf dem Blogzine wird er jedes Jahr wieder zelebriert: Der Weltfrauentag (oder auch Internationaler Frauentag genannt) ist schließlich ein wichtiges Datum. Denn es geht in erster Linie um Frauenrechte, Female Empowerment, die Diskriminierung von Frauen, also um Gleichberechtigung. In Berlin und Mecklenburg-Vorpommern ist der 8. März übrigens schon ein gesetzlicher Feiertag, und das Motto 2023 lautet in Deutschland „Wer Fachkräfte sucht, kann auf Frauen nicht verzichten!“ (Das Titelbild zeigt Julia Aguilleaume, Copyright: Lena Jacobsen/Knesebeck Verlag)*
Passend dazu ist auch ein Buch im Knesebeck Verlag erschienen: Elke Vesper hat sich mit ü60-Frauen getroffen. Das Ergebnis lautet Jetzt erst recht! Starke Frauen zwischen 60 und 100 erzählen von Leidenschaft, Neugier und anderen Wagnissen und ist am 23.2.2023 erschienen.* Inspirierende und wagemutige Frauen zwischen 60 und 100 berichten aus ihren spannenden Biografien, die viele Klischees auf den Kopf stellen.
Da wird von einer Weltreise im Oldtimer berichtet und von einem Trip zu sibirischen Schamanen, von der Gründung der Plattform »Omas gegen rechts« oder Punkband-Auftritten einer 90-jährigen Holocaustüberlebenden.
Neue Lieben werden gewagt, lang gehegte Träume verwirklicht, ausgetretene Lebenspfade verlassen. Esther Bejarano, Heidi Hetzer, Natascha Würzbach oder Margot Käßmann sind mit dabei, aber auch unbekanntere Frauen aus der Mitte der Gesellschaft. Wir durften der Autorin drei Fragen stellen:
Was hat Sie dazu bewogen, dieses Buch zu schreiben? Was wollten Sie zeigen?
Bewogen hat mich erstens, dass ich selbst auf die 70 zuging und nach Vorbildern für ein „anderes“ Altern suchte, zweitens so eine Art feministischer Zorn, wie Frauen in ihrem Wert auf Jugend reduziert werden, drittens eine große Neugier auf diese lebendigen schönen frechen Frauen, die mir hier und dort begegneten.
v.l.n.r.: Margot Käßmann, Monika Salzer und Othella Dallas. Fotos: Lena Jacobsen/Knesebeck Verlag
Wer hat Sie am meisten berührt, beeindruckt?
Jede Frau hat mich auf ihre Weise beeindruckt. Besonders leuchtend ist mir Othella Dallas in Erinnerung geblieben, die ich auf ihrem letzten Konzert erleben durfte (da war sie 93): im schulterfreien sexy Outfit, tanzend, singend, mit ihren Musikern flirtend, stand sie zwei Stunden lang ohne Pause auf der Bühne und riss das – vorwiegend junge – Publikum zu Begeisterungsstürmen hin.
Elke Vesper. Foto: Lena Jacobsen/Knesebeck Verlag
Wann kommt endlich das Matriarchat?
Ach! Wenn ich die Kriegsbilder von überall auf der Welt sehe, nur Männer!!!!, kann ich daran kaum glauben. Aber es gibt matriarchale Lebensformen auf der Welt, Indien, China, Indonesien, und dort geht es friedlich zu. Leider sind auch Frauen an der Unterdrückung von Frauen und Mädchen beteiligt, wie ja gestern der Tag gegen die Beschneidung von Mädchen wieder in Erinnerung gerufen hat. Ich glaube, wir haben noch viel zu tun! Mein Schreiben ist ein Tropfen von all den vielen anderen, die zum Meer werden.
Weitere Neuerscheinungen im Knesebeck Verlag zum Thema Frauen
Kerstin Wolff: Tomate, Fahrrad, Guillotine. Eine kurze Frauen-Geschichte in 30 Objekten
Auf den ersten Blick haben eine Tomate, ein Fahrrad und die Guillotine wenig gemeinsam. Aber alle drei Gegenstände leisteten einen bedeutenden Beitrag, dass Frauen heute dort in der Gesellschaft stehen, wo sie eben stehen – politisch, rechtlich oder privat. Kerstin Wolff zeigt auf, wo und wie sich weibliche Lebenswelten im Laufe der Zeit verändert haben. So wurden zum Beispiel 1968 drei Tomaten auf den damaligen SDS-Bundesvorsitzenden Helmut Schauer geworfen, um gegen die Benachteiligung von Frauen in der Gesellschaft zu protestieren. Auf unterhaltsame, aber einprägsame Weise wir hier also Geschichte lebendig. Ein Buch, dass auch vor allem jüngere Frauen und Mädchen studieren sollten. Mit schönen Illustrationen von Tatjana Prenzel.
Jan Hendrik Ax, Mareike Graepel: Change Is Female. Frauen, die heute schon Geschichte schreiben
Hier werden 28 Superheldinnen unserer Zeit vorgestellt, aufgeteilt in verschiedene Bereiche wie Klimaschutz, Musik, Journalismus oder Menschenrechte. Klingende bekannte Namen wie Greta Thunberg oder Billie Eilish stehen hier neben Kämpferinnen wie Kübra Gümüsay, Muna El-Kurd, Reem Alabali-Radovan oder Nadia Murad Basee Taha. Eine beeindruckende Reihe an engagierten Vorreiterinnen, die die Welt verändern. Aktuelle Geschichte zum Anfassen.
First Lady of Jazz Piano: Jutta Hipp
Sie war die erste deutsche Jazzpianistin und weltweit eine Pionierin des weiblichen Jazz: die Rede ist von Jutta Hipp. Das Multitalent wurde 1925 in Leipzig geboren, lernte vier Jahre klassisches Klavier, und fand während des Zweiten Weltkriegs durch den Jazz erst wieder zu ihrem Instrument.
Während ihres Studiums an der Akademie für graphische Künste (1942-1945) begann sie zu improvisieren und trat als Amateurin in einer Jazzband im Leipziger „Hot Club“ auf. Heimlich hörte sie die von den Nazis verbotenen Radiosender, vor allem Radio Hilversum und BBC London. 1945/46 entstanden Demo-Aufnahmen mit Freunden aus dem „Lime City Jazz Club“ in Leipzig (unter anderem mit Rolf Kühn), die 2015 erst veröffentlicht wurden.
Vom gefeierten Star zur Näherin
1946 ging sie mit ihrem damaligen Verlobten Teddie Neubert und Thomas Buhé in den Westen, um in amerikanischen Offiziersclubs und Tanzlokalen am Tegernsee zu spielen. Ihr 1948 geborener Sohn Lionel, ein sogenanntes Brown Baby, wuchs in einem Kinderheim und bei Pflegeeltern auf, er suchte als Erwachsener nie Kontakt zu ihr.
Ihr abenteuerlicher musikalischer Weg führte sie nach Stationen in München und Frankfurt am Main schließlich 1955 nach New York als „Europe’s First Lady of Jazz“. Sie spielte unter anderem mit Leonard Feather und Charles Mingus. Dort beendete sie aber kurze Zeit später noch in den 1950er-Jahren abrupt ihre Karriere und nahm einen Job als Näherin in einer Kleiderfabrik in Queens an. Warum? Das versucht jetzt ein neues Buch zu klären.
Erst 1986 entdeckte sie die Autorin und Musikerin Ilona Haberkamp wieder und stattete ihr zusammen mit Iris Kramer einen Besuch ab. Ein Ergebnis war die Entstehung des Albums „Cool is Hipp is Cool“ als Tribute an Jutta Hipp zum 10. Todestag 2013 mit dem Ilona Haberkamp Quartet feat. Ack van Rooyen und Silvia Droste.
Die Saxophonistin, die zum 90-jährigen von Hipp zusammen mit Gerhard Evertz 2015 eine umfassende künstlerische Gesamtausgabe „The Art and Life of Jutta Hipp“ mit einer zweisprachigen Biografie initiiert und herausgegeben hatte, legt nun eine weiter ausführliche Biografie der eigenwilligen Künstlerin vor.
Plötzlich Hip(p)
Erschienen ist „Plötzlich Hip(p)“ im Wolke Verlag. Eingebettet in Musik- und Zeitgeschichte zeichnet Ilona Haberkamp eindrucksvoll den Weg nach, gespickt mit Zitaten aus den mit Jutta Hipp geführten Gesprächen, Ausschnitten aus Briefen, Zeichnungen und Fotos. Eine Labour of Love und lang vermisste biografische Hommage.
Und plötzlich versteht man den Bruch in der Biografie der stets von Lampenfieber belasteten Frau umgeben von Rassismus, Drogenproblemen, die sie selber betrafen, und einer männerdominierten Musikszene. 2003 starb Jutta Hipp an den Folgen einer Krebserkrankung. In ihren zahlreichen Aufnahmen und dank Ilona Haberkamp lebt sie weiter. Ein hochinteressantes feministisches Stück Jazzgeschichte.
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