Spenden statt kaufen – Beatrix Szabó engagiert sich für Geflüchtete auf Lesbos

29. November 2022 | immer.dasleben

Die 60-jährige Beatrix Szabó ist in Bonn geboren, hat in Hessen gelebt und in Norddeutschland. Dort betrieb sie einen vegetarischen Party Service und hat bis zu 400 Leute bekocht.

„Das war damals, also vor rund 30 Jahren, wirklich ungewöhnlich. Das hat damals noch niemand gemacht. Und darüber bin ich natürlich auch über meine Kochkurse mit dem Thema Gesundheit in Berührung gekommen.“ Sie wurde selbst sehr krank, „bin praktisch dem Tod von der Schippe gesprungen“. Eine Freundin sagte ihr dann: „Sag mal, willst du nicht nochmals was anderes machen als kochen?“

Sie begann, sich mit Naturheilkunde zu beschäftigen. „Da sind alle Türen aufgegangen.“

Beatrix fing ein Ausbildung zur Heilpraktikerin an, 1994 kam die Abschlussprüfung, anschließend ließ sie sich mit ihrer ersten Praxis in Lüneburg nieder. Auf einem Weiterbildungskongress lernte sie einen Mann kennen und zog also der Liebe wegen nach Regensburg, wo sie zusammen mir ihrem Partner nach weiteren Ausbildungen 1997 eine Praxis für Homöopathie und 1998 das „Regensburger Instituts für Klassische Homöopathie“ gründete.

Im Jahr 2000 begann sie eine Psychotherapie-Ausbildung, sie begann sich auf Traumatherapie zu spezialisieren, ab 2013 folgte ein Masterstudium „Master of Science in Homeopathy“ an der University of Central Lancashire (UCLan).

Wie bist du dann zu Space Eye gekommen?

Das entstand vor über drei Jahren durch einen Vortrag des Gründers Michael Buschheuer und seiner Frau Hanni beim Regensburger Verein „BRÜCKE – Ideen verbinden Menschen e.V.“ (Link https://www.bruecke-regensburg.com/). Ich war sofort angefixt und dachte: „Da will ich mitmachen!“ Und ich bin nach wie vor richtig happy damit, endlich helfen zu können, und eine vehemente Anhängerin von Space Eye. Was mir so gut daran gefällt, ist zum einen die Geschwindigkeit – wie Sachen umgesetzt werden. Das ist unglaublich präzise, schnell, klar und mit ganz viel Herz.

Wie bist du dann bei Earth Medicine gelandet und beim konkreten Helfen aus Lesbos?

Durch und mit Space Eye habe ich dann letztes Jahr das Health Network aufgebaut. Das Spannende war damals: Hans-Peter Buschheuer (Onkel von Michael, der sich um die PR von Space Eye kümmert) hat in einem Interview im Berliner Fernsehen einen Notruf von Earth Medicine kommuniziert. Beim Hilfsgüter verpacken kam mir dann der Gedanke: „Du kannst noch mehr machen!“ So entstand diese Initiative, nachdem ich mich näher mit Earth Medicine und der Gründerin Fabiola Velasquez beschäftigt hatte.

Dann wurde ich „geprüft“ sozusagen in zwei Interviews und konnten danach dieses Netzwerk entwickeln. Wir sind dort überwiegend Homöopathen, aber auch Physiotherapeuten, eine Heilerin ist mit dabei. Es baut sich jetzt auf.

[Anm.: Earth Medicine – Physical Rehabilitation wurde 2018 von der chilenischen Physiotherapeutin und Sozialaktivistin Fabiola Velasquez auf der Insel  Lesbos gegründet, die sich bereits seit der Flüchtlingskrise 2015 dort ehrenamtlich betätigt hatte. Ihr Team bestehend aus Physiotherapeuten, Massagetherapeuten und Gesundheitsexperten unterschiedlicher Nationalitäten und Hintergründe arbeitet gemeinsam täglich daran, die Gesundheit der Menschen in den Flüchtlingslagern auf Lesbos zu verbessern.]

Gerade vor vier Wochen war ich wieder auf Lesbos und habe wieder neue Eindrücke mitgebracht. Was dort an Heilung und Unterstützung passiert, das ist einfach toll. Fabiola ist ja nicht nur Physiotherapeutin, sondern ist auch Expertin für Nahrungsmittelergänzungen und Kräuterheilkunde. Denn die Geflüchteten dort sind schlimm mangel- und unterernährt. Neben all den anderen Bedingungen dort, die einfach katastrophal sind: die Ungewissheit, es ist einfach krass.

Und das wird gerade auch wieder vergessen und in den Hintergrund gedrängt oder?

Genau, auch durch die Geflüchteten aus der Ukraine. Natürlich bin ich begeistert davon, wie schnell Hilfe und Integration in dem Fall passieren kann, aber dann schaue ich mir an, was in den Camps um Athen, auf Lesbos, auf Samos ganz zu schweigen von in Jordanien passiert und sehe, dass diese Menschen vergessen werden. Weißt du, in dem Camp auf Lesbos, in dem ich arbeite, da sitzen Leute seit fast fünf Jahren. Und keiner – und das ist die Willkür, die Abschreckung… Keiner weiß, wie es weiter geht, ob sie jemals weiterkommen, rauskommen. Wir haben da mit Patienten zu tun, die schwerstbehindert sind, die massive Schmerzzustände haben. Klar, die haben die Flucht erlebt, waren völlig unterkühlt, haben tausende von Kilometern hinter sich gebracht. Sie sind über schneebedeckte Berge und durch eiskalte Flüsse gegangen, sind in Schiffen, beziehungsweise eher Booten gewesen… Sie sind alle traumatisiert und leiden unter schlimmen Schmerzen.

Wenn du sagst fünf Jahre: Verliert man die nicht mal die Hoffnung? Ist das nicht das Schlimmste?

Ja, viele werden natürlich depressiv. Und hier greift Earth Medicie auch ein. Weil das wie eine Insel der Hoffnung ist. Die Leute gehen dahin, können über ihre Situation sprechen, also eine Art Sammelpunkt. Bis vor kurzem war die Praxis außerhalb des Camps, die Menschen wurden dorthin gefahren, jetzt ist der Transport aufgrund problematisch fehlender Spendengelder und der hohen Energiekosten nicht mehr möglich. Und wir können die Leute auch nicht mehr bekochen wie vorher. Syrische und afghanische Frauen haben da gekocht, damit die Geflüchteten einmal wieder eine warme gesunde Mahlzeit erhalten konnten…

Aktuell gibt es einen Container im Camp, aber alles verändert sich weiter ständig. Die Leute haben Angst vor dem neuen Camp, das wohl in der Planung oder im Bau ist. Die Camps um Athen müssen eine Katastrophe sein.

Samos ist wie ein Gefängnis. Jetzt haben sie gerade zum ersten Mal ein bisschen Freiheit, das heißt sie können das Camp verlassen, es gibt Ausgangszeiten…

Bis vor kurzem gab es ja nichts: für die Kinder keine Schulen, das wurde dann von verschiedenen NGOs (nichtstaatliche Organisationen, Gruppen und Verbände ohne direkte Gewinnziele, die helfen) außerhalb des Camps organisiert (auch von Space Eye). Aber jetzt ziehen sich viele davon zurück, wegen der verschärften Gesetzgebung oder der Ukraine, das Unterrichten übernehmen jetzt erst langsam die Griechen…

Dann der Brand in Moria, das hat die Menschen auch total traumatisiert… Da gab es ein Extra-Camp namens Karatepe – das wird in der Presse auch immer in einen Topf geschmissen -, das war ein Camp für besonders Schutzbedürftige. Dort hatte Fabiola Velasquez ihre Behandlungscontainer gehabt. Das war richtig toll. Dort gab es auch einen Verantwortlichen, den man ansprechen konnte. Das ist jetzt alles völlig anders. Die besonders vulnerablen Personen müssen ihre Rollstühle durch Schotter schieben. Bis vor kurzem gab es keine Betonbrücken. Das heißt, du musstest eigentlich fliegen – über die Gräben fliegen… Wenn es geregnet hat, Katastrophe. Letztes Jahr haben sie dann, weil eine belgische Delegation und der Papst kam, einen Spielplatz gebaut und die Gräben irgendwie aufgeschüttet. Aber das ist eben alles sehr neu.

Was heißt das, sie durften nicht raus? War das wegen Corona?

Also Corona hat das alles natürlich noch extremst erschwert, aber die Leute durften nicht raus, um die Bevölkerung nicht zu belasten … Das sind einfach auch Willkür-Geschichten, Abschreckungsmaßnahmen, damit „die Leute da nicht überall sind“. Aktuell sind noch rund 2.000 Leute im Camp, die Zahl hat sich reduziert, viele sind auf’s Festland gekommen. Aber die Situation ist nach wie vor übel. Ich war im Winter da, es regnet, Container sind aus Blech. In den Zelten ist kein Platz, da kann man nicht mal einen Tisch aufstellen, so klein ist das. Die Heizsituation ist unzumutbar. Elektrizität gibt es nur ein paar Stunden am Tag. Den Rest der Zeit müssen sich die Leute praktisch ins Bett legen, weil sie so frieren. Die Feuchtigkeit und ein ständiger Wind vom Meer. Das ist alles echt schwierig. Gerade für Leute, die auch noch unter schweren Schmerzen leiden, ist das ein Desaster.

Deshalb bin ich so froh, was wir da durch Space Eye und Earth Medicine leisten können. Also wenn ich groß denken könnte, würde ich mir wünschen, dass in jedem Camp so etwas passiert: Physiotherapie, Akupunktur, Homöopathie, Kräuterheilkunde, Nahrungsergänzungsmittel. Dass es eben eine Betreuung für chronisch kranke Patienten gibt…

Was macht das dann mit einem? Wenn man dann wieder zurück kommt und hier wieder merkt, welche Luxusprobleme wir haben? Dass es heißt, wir rutschen in die Armut ab, weil wir uns vielleicht keinen Urlaub mehr leisten können?

Tatsächlich relativiert sich sehr vieles… Also ich merke, dass ich vielen Dingen nicht mehr so viel Bedeutung gebe. Ob jetzt die Klamotte so oder so ist, ob ich einen Pickel hab oder das Haar ausgeht. Ich bin 60, irgendwo zwickt’s… Bei mir selber merke ich, dass ich mich da über vieles nicht mehr so aufrege. Aber bei meinen Patienten ist es natürlich anders. Wenn da jemand mit Akne kommt, das ist etwas anderes im Camp… Die Liebe zu meine Patienten ist immer noch gleich stark. Da hat sich nichts verändert. Und das erzählen ja viele, die im Auslandseinsatz so viel Leid gesehen haben, dass sie nicht richtig zurückkommen können in ihren Alltag hier. Meine Familie, mein Mann, meine Enkelkinder, meine Freunde erleichtern mir das. Und ich freue mich sehr darüber, wie gut es mit meinen Patienten geht. Leiden ist Leiden…

Man muss ja auch wieder Kraft schöpfen oder? Ununterbrochen dort zu sein, ist wahrscheinlich extrem schwer…

Ich bin natürlich als Traumatherapeutin ausgebildet. Da ist es etwas anders, wenn ich diese traumatischen Geschichten höre. Ich reagiere dann professionell, aber ich hatte zum Beispiel eine junge Kollegin dabei, eine Homöopathin, die wirklich lange damit zu tun hatte. Ich brauche auch ein paar Tage. Im Januar war ich dann mit meinem Mann wandern… Um wieder zu mir zu kommen.

Diese freiwillige Arbeit im Camp – dafür sind nicht alle geeignet oder?

Nein, das ist Fabiola eben auch ganz wichtig, dass du sattelfest bist. Man muss guten Boden unter den Füßen haben. Wenn wir dann abends privat zusammensitzen, müssen wir auch weinen. Denn manchmal ist das alles einfach nur schrecklich. Nicht nur manchmal. Jede Geschichte ist schrecklich, jeder hat massive Verluste – Trauma, Flucht, alles haben das hinter sich. Und dann eben noch diese vielen Jahre im Camp…

Also lieber anders helfen oder?

Ja, genau. Wenn jemand zum Beispiel homöopathisch arbeitet, kann sich mit mir in Verbindung setzen… Wer Kontakt hat zu Firmen, die Nahrungsergänzungsmittel zur Verfügung stellen könnten, sollte sich melden. Das wäre super, zum Beispiel das Kräuterblut, weil viele Frauen anämisch sind, das heißt unter Eisenmangel leiden. Oder natürliche Mineralien… Da hat Fabiola klare Vorstellungen… Finanzielle Unterstützung ist natürlich immer gut. Presse – um es weiterzusagen:

„Vergesst die Leute in den Camps nicht!“

Geht in Kontakt mit Syrern, Afghanen hier. Das sind in der Regel sehr gastfreundliche Menschen. Leute, die Lust haben auf Beziehungen und Begegnungen!

Wenn Ihr spenden wollt, hier geht es direkt zu

Space Eye und zu Earth Medicine

space-eye.org/spenden Stichwort Health

www.theearthmedicine.com/donate-now

Ursula Gaisa

1968 in Schwandorf geboren. Studium Anglistik und Germanistik. Seit 1994 beim ConBrio Verlag. Journalistin, Buchautorin und Herausgeberin von immerschick.de

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