Rien ne va plus oder das Leben in Zeiten von Corona
Draußen Lockdown, drinnen Tohuwabohu. Eigentlich sollte dort home-office, home-schooling, die übliche Hausarbeit und möglichst konfliktfreier Alltag mit zwei einkasernierten Kindern stattfinden, stattdessen das ungeregelte Chaos. Wo Ratgeber feste Strukturen, klare Ansagen und berechenbare Abläufe predigen, herrscht bei uns zur Zeit leider eine gewisse Anarchie – um des lieben Friedens Willen. Denn mein Nervenkostüm ist mittlerweile arg lädiert durch die ganzen „Mach ich später!“, „Gleich!“ und „jetzt nicht, vielleicht in 2 Stunden“-Repliken auf meine Bitten, Hausaufgaben zu erledigen, Müll rauszubringen oder anderweitig im Haushalt zu helfen.
Meine Versuche, den aus den Fugen geratenen Alltag zu strukturieren, werden diesbezüglich mit schöner Regelmäßigkeit torpediert.
Beispiele gefällig: Während ich versuche im „Home-Office“, also Wohnzimmer, diesen Beitrag zu schreiben, ist irgendwas immer: Sohnemann hat sich an die Hausaufgaben gesetzt (Chapeau!), versteht aber dummerweise den Satz des Pythagoras nicht. Natürlich helfe ich (soweit ich kann). Das Wohl des Kindes, bzw. der Lernerfolg geht ja schließlich vor.
Nächster Versuch: Ich habe mich gerade erneut vor den Rechner geschwungen, taucht Tochter auf, will wissen, was es zum Abendessen gibt und ob sie was einkaufen solle. (Löblich und Bewegung kann ja bei dem schönen Wetter auch nicht schaden!) Noch ist keine Idee da, aber zum Glück gibt es Instagram mit tollen Bildern von leckerem Essen. Wir scrollen durch verschiedene Möglichkeiten und machen einen Einkaufszettel. Abgang Tochter.
Zwei Zeilen später – Auftritt Sohn.
Er hat auf Amazon ein Spiel gefunden, das ihm seine Langeweile vertreiben könnte. Ob ich es bestellen könnte? Natürlich tut mir seine Langeweile leid, also ein kurzer Blick und – oh, welche Überraschung: Das Spiel ist analog und didaktisch vermutlich auch ganz sinnvoll. Also Kaufvorgang starten: Pflichtfelder ausfüllen, Kreditkarte suchen und den dazugehörigen PIN nicht finden. Alles gefühlt halb fertig, semiprofessionell und nie ganz bei der Sache.
Der in diesen Zeiten in den sozialen Medien grassierende Konjunktiv („Wie man diesen Shutdown produktiv nutzen könnte….“) macht es auch nicht einfacher.
Bilder und Filmchen von selbst gebackenen Broten, sinnvoll verbrachter Quality time mit der Familie, glücklichen Kindern bei einer Yogastunde mit Mama oder von Malte, der jetzt schon richtig gut Gitarre spielen kann und dessen Schwester Luna, die mit drei schon bis hundert zählen kann, gehen durchs Netz und nicht spurlos an mir vorbei. Also mache ich auch Vorschläge und pädagogisch wertvolle Angebote wie gemeinsame Yogastunden oder Bastelnachmittage. Zum Glück werden diese wohlmeinenden Vorschläge, wie fast alles momentan, vom Nachwuchs ebenfalls mit einem „später“ quittiert. Er gammelt einfach gern.
Mir macht dieses „später“ gerade Hoffnung
Hoffnung, sich wieder mit Freunden zu treffen, wieder Kaffee trinken zu gehen und unter Menschen zu sein, ins Kino, zum Friseur oder einfach nur Shoppen zu gehen.Aber auch die Hoffnung, dass wir ernsthaft darüber reden, für wie selbstverständlich und nebensächlich wir Kümmern, Pflegen, Erziehen und Versorgen nehmen. Und wie unfassbar systemrelevant diese Dinge sind, nämlich unverzichtbare Vorraussetzungen, ohne die rein gar nichts mehr geht.
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