Vorbilder: Lisa von Ortenberg und LvO Boutique

Lisa habe ich zufällig beim Dilly Dally Design Markt hier in Regensburg letzten November kennengelernt. Da stand diese große schöne Frau in ihrem winzigen Stand, und ich sah sofort, dass sie eine Boho-Schwester ist. Ihr wundervollen langen Kleider, Seidenblusen mit tollen Mustern… Ich war und bin total begeistert. Slow Fashion vom Feinsten eben.
Eines meiner Lieblingsstücke wurde aber der Leo-Blazer mit samtiger Anmutung, der zu 80% aus Viscose und 20% aus Seide besteht. Deshalb trägt er sich auch so gut und angenehm. Ob zur Jeans oder ganz edel zu Rock oder Kleid. Er passt einfach immer. Nun wurde ich natürlich neugierig, wer Lisa eigentlich ist. Sie lebt in Pfaffenhofen mit ihrer Familie, ich durfte sie zu Hause besuchen. Und jetzt lasse ich sie mal selber zu Wort kommen. (Titelbild mit LvO Blazer: Franz Fleissner)
Wer bist du, Lisa? Was hast du bisher alles gemacht in deinem Leben, bevor du ein Slow Fashion Label gegründet hast?
Von 17 bis 47 war ich Journalistin – für mich damals der schönste Beruf der Welt. Meine Eltern waren sehr bodenständige Leute, die eine alte Maschinenfabrik in einer Kleinstadt in Oberbayern betrieben – und dafür nicht viel von der Welt sahen.
Ich stellte mir mein Leben genau anders vor.



Fotos 1/3: Julia Veela, Foto 2: Friedrich Müntjes
Nach der Deutschen Journalistenschule München (DJS) arbeitete ich zunächst als Redakteurin bei der WELT, bei Glamour und Jolie, entschied mich dann aber bald für das unsicherere Leben als freiberufliche Reporterin – was mir unter anderem zwei Weltreisen einbrachte. Die zweite machte ich während der großen Rezession 2008/09 für die Neue Zürcher Zeitung am Sonntag.






Fotos 1-3: Dietmar Grün; Fotos 4-6: Chris Eisenhut
Diese Reise veränderte mein Leben doch sehr, da ich in Hongkong meinen heutigen Mann kennenlernte. Nach wenigen Monaten zog ich mit zwei Koffern aus meiner Münchner Altbauwohnung in eine winzige Junggesellenbude in einem Hochhaus in China. Es fühlte sich einfach richtig an. Außerdem dachte ich, dass ich auch weiterhin als freie Journalistin schreiben konnte. Doch zunächst bekamen wir in kurzer Zeit Antonia (heute 14,5) und Jonathan (13). Einmal im Monat eine große Reisereportage.
Als die Kinder beide in der Schule waren, fühlte ich mich irgendwie lost und stagnierend.
In Deutschland hätte ich mit Mitte 40 längst Chefreporterin sein müssen. In Hongkong war das nicht möglich.
Und dann hast Du LvO Boutique gegründet?
Das passierte eher nebenbei. Als ich nach China zog, hatte ich Schwierigkeiten, gute Mode für große Frauen zu finden. Ich bin 1,76 m – daher ließ ich schon mein Brautkleid nach eigenen Designs von einer hervorragenden chinesischen Schneiderin anfertigen. Danach war es um mich geschehen.
Immer öfter fuhr ich zur Schneiderin meines Vertrauens und arbeitete mit ihr im Atelier an meinen Ideen. Ich fühlte mich wie ein Kind im Candy Store.



Dazu kam, dass es in Hongkong einige Stoffläden gab, die auf sogenannte „Dead Stock Fabrics“ spezialisiert waren. Die also von großen Couture Häusern Stoffe aus vorangegangenen Saisonen aufkauften. Das lagen unfassbar tolle Prints und die edelsten Stoffe der Welt vor Dir. Diese Läden kann man sich in Deutschland gar nicht vorstellen. Ich habe diese Qualitäten nur noch in Italien und Frankreich gefunden.
Jedenfalls habe ich dann mehr und mehr Fotos von mir in meinen eigenen Modellen auf Instagram gepostet – und meine Freundinnen sowie Kolleginnen aus der Hongkonger Journaille fanden sie gut. So organisierte ich 2018 eine erste Website und gründete für 200 Euro bei der Hongkonger Regierung meine virtuelle Boutique.



Da die Mieten in Hongkong irre teuer waren, habe ich dort immer für zirka acht Tage im Monat eine Boutique in bester A-Lage gemietet und meine Lila-Lisa-Couture angeboten. Durch Mund-zu-Mund-Propaganda wuchs meine Kundinnenschar relativ schnell an. Nach zwei Jahren machte mir nur Corona einen Strich durch die Rechnung. Hongkong war wie ausgestorben. Und wir zogen mit der ganzen Familie zurück in mein Elternhaus in Bayern.
War das das Ende der Boutique?
Zunächst leckte ich natürlich ausgiebig meine Wunden, weil mir diese Vollbremsung durch die Pandemie gar nicht passte. Aber so war die Zeit vor fünf Jahren – erst mal gab es andere Prioritäten. Wir mussten zunächst mal die Kinder für das deutsche Schulsystem fit machen. Außerdem brauchte man durch die ständigen Lockdowns sowieso keine glamouröse Mode.
Aber Ende 2021 juckte es mich wieder und ich produzierte mit zwei Schneiderinnen in meiner Heimatstadt die erste Mini-Capsule-Collection, die ich online und auf den ersten Pop Ups in Bayern verkaufte. Die Resonanz war so vielversprechend, dass ich im Jahr 2023 tatsächlich eine eigene Boutique am Hauptplatz von Pfaffenhofen eröffnete. Es war in einem denkmalgeschützten Barockhaus und insgesamt ein Traum. Allerdings fiel mir auf, dass die Kleinstadt doch nicht der richtige Ort ist für meine ausgefallenen Teile. So habe ich das Geschäft wieder auf einige Pop Ups hauptsächlich in München reduziert.


Warst du schon immer modeinteressiert?
Auf jeden Fall. Schon auf meinen ersten Kleinkindbildern trug ich gerne Ketten und experimentierte mit Hüten und alten Klamotten von den Großeltern. Allerdings hätte ich mir als Jugendliche nie vorstelllen können, Mode zu meinem Beruf zu machen. Das konnte ich meiner braven bayerischen Familie nicht zumuten. Dafür musste ich erst mal in der Fremde eine neue Lisa erfinden.
Wie würdest du deine Kollektion beschreiben? Was ist dir wichtig?
Ich designe ganz frei und aus dem Bauch raus, einfach wonach mir gerade ist. Mit wenigen Monaten Vorlauf, angetrieben von dem Gedanken, was möchtest du selbst für die nächste Saison haben?
Ich bin kein besonders konzeptioneller Mensch, sondern habe einfach ein Grundgespür für Mode. Vielleicht liegt es auch am Sternzeichen Waage. Generell mag ich mädchenhafte, schwingende, weichfallende Teile. Seitdem ich wieder in Deutschland bin, wurden manche Schnitte allerdings etwas klassischer. Es gibt jetzt auch Hosenanzüge.



Früher in Hongkong waren LvO-Kleider die absoluten Bestseller, gerne auch lang. Durch die Witterung hierzulande kann man diese sehr femininen Modelle aber nicht so oft anziehen wie Blazer und Jeans. Außerdem gibt es in Deutschland einfach weniger Glamour-Events als in Asien. Insofern besteht seit der Rückkehr meine Alltagsuniform oft aus edlen Blazern aus Kaschmir oder Samt, dazu eine Boho-Bluse und weite Jeans. Exklusive Stoffe sind immer noch mein Markenzeichen.
Außerdem bin ich ein Geheimtipp bei Leuten, die in der Kulturbranche arbeiten, gerne Designerklamotten tragen, aber nicht so viel Geld für Mode ausgeben können.
Entwirfst du alles selber? Und wer stellt die Kleidung her?
Ja, die Entwürfe stammen alle von mir. Neben meinem Pfaffenhofener Partner-Atelier besuche ich zweimal pro Jahr meine alte Schneiderin in China, da sie einfach bei Couture-Modellen unübertroffen ist.



Fotos 1/2: Judith Bradl
Wo und wie kann man deine Stücke kaufen?
Idealerweise bei Pop Ups, die aber meistens in Bayern stattfinden. Obwohl ich schon oft mit Bekannten aus dem restlichen Bundesgebiet überlege, mal einen Pop Up in Berlin oder Hamburg zu organisieren. Da kommt mir nur meine Familie dazwischen. Sonst wäre ich wohl jedes Wochenende in einer anderen Stadt. Aber die Kinder werden gerade unabhängiger, also in den nächsten Jahren werden auch meine Radien wieder größer.
Als nächstes muss ich jetzt dringend meinen Online-Store aufpeppen, der ist gerade nicht wirklich up to date. Da ich noch ohne Internet aufgewachsen bin, kostet mich alles Digitale erst mal Überwindung. Aber ich bin dran.
Aber es gibt die Website noch?
Ja, in Wirklichkeit gibt es allerdings viel mehr als die angezeigten Teile, etwa Kaschmirmäntel und Seidenblusen in unterschiedlichsten Modellen.
Ich bin ja kein klassischer Webshop, sondern freue mich immer, wenn mich Kundinnen direkt anrufen und fragen, was ich an Neuem in ihrer Größe reinbekommen habe. Für die VIP-Kundinnen von auswärts packe ich auch öfter Überraschungspakete mit Stücken, die zu ihnen passen würden. Das funktioniert ganz gut.
Was wünschst du dir für deine Zukunft, die Erde und die Mode?
Love und Peace – kann man ja nie genug haben 🙂
Und In Sachen Mode würde ich mir wünschen, dass ich noch mehr Menschen inspirieren kann, sich Alternativen zu Fast Fashion-Ketten zu suchen. Vintage und kleine Labels machen so viel mehr Spaß. Ich persönlich produziere immer weniger Neues und kaufe umso mehr in Second Hand Läden und auf Vinted. Im Grunde gibt es einfach schon so viele gute Teile auf der Welt. Und die Stoffe von vor 30 Jahren sind unübertroffen.
Mehr zu Lisa
https://www.lisavonortenberg.com
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