Bücher für den Sommer und danach

01. August 2022 | immer.kreativ

Diese Buchauswahl kann euch gut und gerne an den Strand begleiten, falls euer Urlaub noch vor euch liegt wie meiner, oder bis in den Herbst begleiten. Es wurden mir Rezensionsexemplare zur Verfügung gestellt.*

Eckhart Nickel: Spitzweg (Piper Verlag)

Wenn viele Bücher schmecken wie Einheitsbrei oder leichte Kost, dann fällt dieses in eine ganz andere Kategorie. Es entspricht eher einem Drei-Gänge-Menü aus der Sterne-Küche. Die Handlung ist schnell erzählt. Eigentlich umfasst sie nur einen Tag und eine Nacht.

Der jugendliche Ich-Erzähler lernt kurz vor dem Abitur den Dandy Carl kennen und schätzen. Er führt ihn in die Welt des guten Geschmacks und vor allem der Kunst ein. Im Kunstunterricht beleidigt die Lehrerin die Angebetete des Erzählers, Kirsten, mit einem Blick auf ihr Selbstporträt: „Mut zur Hässlichkeit“ bescheinigt sie ihr. Woraufhin Kirsten überstürzt das Klassenzimmer verlässt. Carl nimmt das Bild an sich und schmiedet zusammen mit dem Ich-Erzähler Rachepläne. Kirsten, deren Eltern ohne jede moderne Kommunikationsmittel in einem Selbstversorgerhaus leben, soll über Nacht verschwinden, um die Lehrerin und den Direktor in Angst und Schrecken zu versetzen.

Sie wird in Carls geheimem Raum versteckt, in dem er exquisiten Tee serviert und alle Sinne verwöhnt.

„Weißt du, manchmal habe ich das Gefühl, wir müssten einfach alles daran setzen, das Leben als etwas Einzigartiges zu gestalten, indem wir das gleichförmige Einerlei unseres ach so drögen Alltags nicht länger als gegeben hinnehmen, sondern durch unvorhersehbare Taten in das Abenteuer zu entgrenzen, als welches unsere Kinderseele jeden Tag empfunden hat.“

Ganz „nebenbei“ geht es natürlich um Carl Spitzweg und sein Alter ego, den Hagestolz, Kunst, Liebe, Allergien gegen die Moderne und Freundschaft.

Ein Buch, das aus der Zeit fällt und die Zeit anhält. Und wer weiß, vielleicht wird das Heim von Kirsten das Haus der Zukunft? Warme Empfehlung!

Christian Kracht: Eurotrash (Kiepenheuer & Witsch)

Das zweite Buch des Schweizers Christian Kracht nach „Faserland“ ist wieder eine Ich-Erzählung mit Tiefen. Vielleicht auch nicht gerade für spaßige Tage am Strand geeignet 😉 Die gleichnamige Hauptfigur, die einmal einen Roman namens „Faserland“ geschrieben hat, wird also zu ihrer medikamentenabhängigen und alkoholkranken Mutter gerufen, die er eigentlich nur alle zwei Monate in Zürich besucht.

Geld ist das Instrument der Unterdrückung.

Dabei gehen seine Gedanken erst einmal zurück in die (Nazi-)Vergangenheit seiner Familie, der Neureichengeschichte seines vor zehn Jahren verstorbenen Vaters, Sadomaso-Gerätschaften und mehr.

Seine Mutter wurde ungestraft mit elf Jahren mehrfach vergewaltigt, er im Internat in Kanada.

Diese beiden brechen nun zu einem Roadtrip auf und erzählen sich dabei Geschichten aus ihrem Leben, erfunden und ersponnen? Eine nicht unwichtige Rolle spielt dabei ein dunkelbrauner Wollpullover, der sie zu einer Kommune führt. Rasant, verrückt.

Leichtere Kost im Schnelldurchgang

Kristina Pfister: Ein unendlich kurzer Sommer (Fischer Verlag)

Dieser Sommerroman hat mich ganz schnell an „Zusammen ist man weniger allein“ erinnert. Christophe hat seine an Alzheimer erkrankte Mutter auf der Insel Réunion bis zu ihrem Tod gepflegt. Beim Aufräumen findet er einen Brief, der nie abgeschickt wurde. An seinen leiblichen Vater, der damals in Deutschland lebte. Er war mit Frank aufgewachsen, den er für seinen Erzeuger gehalten hatte. Er beschließt, zu der Adresse auf dem Umschlag zu reisen, wo Gustav einen heruntergekommenen Campingplatz betreibt. Zuvor ist hier schon die junge Lale gestrandet, die nach dem Tod ihres Bruders nicht mehr zurecht kommt in ihrem alten Leben.

Den Reigen um diesen langen Sommer am See machen Hippie James, ein alter Schulfreund von Gustav, und der leicht körperlich beeinträchtigte Flo komplett. Familie, Liebe, was bleibt am Ende von einem Leben? Und was ist wirklich wichtig? Das perfekte Sommerbuch für ruhige Tage am See oder am Meer.

Amélie Nothomb: Ambivalenz (Diogenes)

Ganz leicht ist diese Geschichte einer zurückgewiesenen Liebe und was daraus alles erwachsen kann, auch nicht. Claude richtet sein ganzes kurzes folgendes Leben nur darauf ein, Rache zu üben. Er macht Karriere, heiratet die schüchterne Dominique, bekommt eine Tochter mit ihr, die er hasst. Und sie bald ihn. Alles läuft darauf hinaus, sich schließlich an Reine zu rächen. Aber da hat er die Rechnung ohne das neue starke Geschlecht gemacht…

Franziska Gänsler: Ewig Sommer (Kein & Aber)

Der Debütroman der Augsburgerin ist eine zarte Liebesgeschichte, ein Klimaroman und auch keine leichte Kost. Es ist Oktober, aber der Sommer endet einfach nicht, es will und will nicht regnen. Hotelbesitzerin Iris hat fast keine Gäste mehr, denn sie lebt in einem Waldbrandgebiet, in dem ein soziales Leben nicht mehr möglich ist. Die Bewohner müssen Schutzmasken tragen. Kinder und Alte sollten gar nicht mehr vor die Tür gehen. Doch eines Tages mieten sich doch zwei neue Gäste ein: die junge Mutter mit ihrer Tochter Ilya. Sie scheint nervös zu sein, auf der Flucht. Das schmale Büchlein liest sich schnell und in einem Rutsch. Lektüre die spannend ist und unter die Haut geht.

Francesca Reece: Ein französicher Sommer (S. Fischer)

Für mich das perfekte Buch für den Urlaub 2022. Die Waliserin Francesca Reece studierte französische und englische Literatur in London und an der Sorbonne. Und das merkt man – im positiven Sinne. Die Geschichte ist interessant, spannend und sehr gut erzählt.

Leah lebt in Paris und bekommt auf eine Anzeige hin den Assistenzjob bei einem berühmten Schriftsteller, Michael. So kann sie den Sommer mit ihm und seiner Familie an der südfranzösischen Küste verbringen. Sie soll seine Tagebücher sichten und ordnen.

Was mit Leichtigkeit, Strand, gutem Essen und kultivierten Gesprächen beginnt, mündet in Geheimnisse aus der ausschweifenden Vergangenheit Michaels, in die auch Leah persönlich verstrickt ist.

Ein Pageturner, der einen nicht mehr los lässt und den Sommer noch weiter verschönert und vertieft. Auch zu empfehlen, wenn man längst wieder bei kühlen Temperaturen auf der Couch liest.

* Die Cover enthalten sogenannte Affiliate-Links, das heißt, wenn du sie nach dem Klick dort kaufst, kostet dich das keinen Cent mehr, wir verdienen ein paar zum Erhalt dieses Magazins. Danke!

Ursula Gaisa

1968 in Schwandorf geboren. Studium Anglistik und Germanistik. Seit 1994 beim ConBrio Verlag. Journalistin, Buchautorin und Herausgeberin von immerschick.de

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